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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg
Autoren: E Mendoza
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gerade deren Ernst hat ihn nach Madrid geführt; als er jetzt aber alles leibhaftig vor sich sieht, befällt ihn eine Mischung aus Unruhe und Mutlosigkeit. Manchmal bereut er es, den Auftrag angenommen, und manchmal bereut er es, Catherine den Brief geschickt zu haben, der einen Schlussstrich unter ihre Beziehung setzt, eine Beziehung, die zwar unruhig, aber zugleich der einzige Ansporn in seinem derzeitigen Leben gewesen war.
    Beklommen zieht er sich langsam an und prüft dabei immer wieder die Wirkung seiner Gestalt im Schrankspiegel. Es ist kein schmeichelhafter Anblick. Nach der Reise sind die Kleider zerknittert, und obwohl er sie gründlich ausgebürstet hat, sind die Rußspuren nicht verschwunden. Zusammen mit seinem blassen, müden Gesicht nicht gerade die Erscheinung, die zu den Leuten passt, welche er sich zu besuchen anschickt, und die kaum den gewünschten Eindruck hervorrufen wird.
    Er verlässt das Hotel und gelangt nach wenigen Metern auf die Plaza Santa Ana; der Wind hat die Wolken weggefegt, und der Himmel ist von der klaren Durchsichtigkeit eines eisigen Wintermorgens. Die ersten Gäste streben in die Cafés und Kneipen. Anthony schließt sich ihnen an und betritt ein Lokal, das nach Kaffee und warmem Gebäck riecht. Während er auf die Bedienung wartet, blättert er die Zeitung durch. Aus den großen Schlagzeilen und den verschwenderisch gesetzten Ausrufezeichen gewinnt er einen wenig anziehenden Gesamteindruck. An vielen Orten Spaniens hat es Zusammenstöße zwischen Gruppen rivalisierender Parteien mit einigen Toten und vielen Verletzten gegeben. Auch wird in mehreren Branchen gestreikt. In einem Dorf der Provinz Castellón ist der Pfarrer vom Bürgermeister von der Kirche verwiesen und in dieser danach eine Tanzveranstaltung organisiert worden. In Betanzos sind einem Kruzifix Kopf und Füße abgehauen worden. Die Gäste des Lokals kommentieren diese Ereignisse mit großspurigen Gesten und Phrasen, während sie gierig an ihren Zigaretten ziehen.
    Da er das kräftige englische Frühstück gewohnt ist, bekommen ihm die große Tasse starker Kaffee und die fetten churros schlecht und verhelfen ihm weder zu einem klaren Kopf, noch heben sie seine Stimmung. Er schaut auf die Uhr, denn die sechseckige Uhr über der Theke scheint ebenso stillzustehen wie die Bahnhofsuhr in Venta de Baños. Bis zu seiner Verabredung hat er zwar noch reichlich Zeit, aber das Geschrei und der Rauch setzen ihm zu, so dass er bezahlt und auf den Platz hinaustritt.
    Seine raschen Schritte führen ihn bald zum Eingang des Prado-Museums, das eben seine Türen geöffnet hat. Er zeigt der Frau am Schalter das Papier, das ihn als Dozenten und Forscher ausweist, und wird nach Rückfragen und Zögern umsonst eingelassen. In dieser Jahreszeit sind fast keine Besucher da – und noch weniger im vorherrschenden Klima von Gewalt und Unsicherheit, und das Museum ist wie ausgestorben. In den Sälen herrscht eisige Kälte.
    Gleichgültig gegenüber allem, was nicht das Wiedersehen mit seinem ersehnten Museum ist, verweilt Anthony einen Augenblick vor Il Furore , der Bronzebüste Karls V. von Leone Leoni. Der Kaiser, in römischer Rüstung, hält eine Lanze in der Hand, und zu seinen Füßen liegt unterjocht und in Ketten die Darstellung der wilden Gewalt, die Nase ans Gesäß des Siegers gepresst, der auf göttliches Geheiß und ungeachtet der Mittel die Ordnung verkörpert und auf Erden durchsetzt.
    Durch dieses kraftstrotzende Vorbild gestärkt, strafft der Engländer den Rücken und geht entschlossen zum Velázquez-Saal. Das Werk dieses Malers beeindruckt ihn so sehr, dass er sich nie mehr als ein Bild vornimmt. So hatte er sie auch Jahre zuvor studiert, eines nach dem anderen, indem er jeden Tag mit einem Notizblock ins Museum kam und nach und nach alle Details aufschrieb, die er entdeckte. Immer kehrte er danach erschöpft, aber glücklich in seine Unterkunft zurück und übertrug die Notizen in ein liniertes, größeres Heft.
    Doch diesmal kommt er nicht in der Absicht, etwas aufzuschreiben, sondern als Pilger, der an den Ort geht, wo man einem Heiligen Ehre erweist und ihn um seinen Schutz anfleht. Mit diesem vagen Gefühl bleibt er vor einem Bild stehen, sucht den richtigen Abstand, reinigt die Brille und schaut es an, unbeweglich, fast ohne zu atmen.
    Velázquez malte das Porträt des Hofnarren Don Juan de Austria in dem Alter, in dem der Engländer jetzt ist, der es überrascht betrachtet. Früher gehörte es zu einer Sammlung von
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