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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle
Autoren: Hildegunde Artmeier
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etwas zu flackern – als ob eine Sonne in ihrem Inneren leuchtete.
    Lilian Graf, Kriminaloberkommissarin bei der Kripo Regensburg, war wie geblendet. Krampfhaft blätterte sie in der Fernsehzeitung auf ihrem Schoß, um die Freundin nicht dauernd anstarren zu müssen. Am liebsten wäre Lilian aufgesprungen und hätte sich auch so schön zurecht gemacht. Ein Abend im Theater – wie verführerisch. Und doch freute sie sich auf die paar gemütlichen Stunden zu Hause. Endlich einmal konnte sie so lange vor dem Fernseher sitzen, wie sie wollte, ohne gestört zu werden. Die Kinder – ihre Tochter Miriam und Hannas Sohn Tobias – lagen schon im Bett. Man hörte sie noch tuscheln. Wahrscheinlich erzählten sie sich eine Gruselgeschichte nach der anderen, bis ihnen vor Müdigkeit die Augen zufielen. So würden sie Lilian wenigstens nicht in die Quere kommen. »Toll siehst du aus, Hanna. Was schaut ihr an?«
    »›Was ihr wollt‹, von Shakespeare, soll total gut sein.«
    »Dann mal viel Spaß. Sag Viktor einen schönen Gruß, er soll gut auf dich aufpassen.«
    »Mach ich. Aber aufpassen kann ich schon selber auf mich!«
    Hanna Freileben drückte Lilian einen Kuss auf die Wange und klemmte die perlenbestickte Abendtasche unter den Arm.
    »Ich muss los. Schätze mal, es wird später. Vielleicht gehen wir nach dem Theater noch irgendwo was trinken. Ciao!«
    Trotz der filigranen Stöckelschuhe, die Hanna erst vor zwei Tagen gekauft hatte, schaffte sie es, wie ein Wirbelwind aus dem Raum zu fegen. Als die Haustür mit einem schwungvollen Knall ins Schloss fiel, lag der Duft ihres neuen Parfüms noch in der Luft.
    Lilian durchforstete weiter das Fernsehprogramm. Irgendetwas an Hanna war anders gewesen. Diese atemlose Art sicher nicht, die hatte sie oft. Eher diese Sorgfalt, die sie auf Kleidung und Make-up verwendet hatte. Natürlich war sie froh, einen Abend auswärts zu verbringen anstatt nur zuhause vor dem Schreibtisch, wo sie oft bis spät in die Nacht französische und spanische Texte übersetzte. Heute konnte sie am Leben draußen Teil nehmen, die erwartungsvollen Gesichter im Theatersaal beobachten, bei einem Glas Sekt in der Pause mit dem einen oder anderen Bekannten flirten. Viktor würde ihr zwischendurch mit einer seiner Geschichten die Zeit vertreiben. Eigentlich war Viktor Wannsee mit seinen 53 Jahren ein langjähriger Freund von Lilians Vater. Inzwischen war er aber für Lilian selbst zu einem so engen Vertrauten geworden, dass er aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken war. Auch mit Hanna verstand er sich gut. Die beiden Frauen waren allein erziehend und lebten gemeinsam mit ihren Kindern in einem Altbauhaus in Regensburg. Heute allerdings waren die beiden schon zum dritten Mal unterwegs – und das in den letzten vier Wochen. Lilian hatte mitgezählt. Denn sie selbst wäre auch gerne mal wieder mit ihm ausgegangen.
    Nach fünf Minuten wusste sie immer noch nicht, was in welchem Programm lief. Also legte sie die Fernsehzeitung beiseite und schaltete den Fernseher an. Auf einem Sender erschütterte irgendein weiterer Lebensmittelskandal die deutschen Gemüter, von BSE sprach schon lange kein Mensch mehr. Zwei Kanäle weiter ging es um die aktuellste Spendenaffäre in hohen Politikerkreisen. Die Namen waren unwesentlich, das Prinzip dafür altbekannt. Auf einem anderen Sender diskutierten Teilnehmer einer Talkrunde, welche negativen Auswirkungen die in Deutschland geltenden Exportverbote auf das Bruttosozialprodukt und so auf den nicht absehbaren, doch dringend erwarteten Wiederaufschwung der deutschen Wirtschaft hätten. Jeder wusste mehr als die anderen und drückte das in möglichst klugen und möglichst verschachtelten Sätzen aus. Ein Diskussionsteilnehmer wies in erstaunlich klaren Worten darauf hin, wie lasch die Einhaltung der bestehenden Gesetze gehandhabt würde. Schließlich sei es eine Tatsache, dass sich viele deutsche Firmen über die Außenhandelsbeschränkungen bewusst hinweg setzten – und das schon seit Jahren. Immer wieder gäbe es schwarze Schafe, die Waffensysteme oder Zubehör für Giftgasanlagen an extremistische Länder verkauften, zwar ohne Genehmigung des Bundessausfuhramtes, aber trotzdem.
    Gelangweilt schaltete Lilian weiter. Musikclips, Werbung, Container- und Realityshows: Brot und Spiele für alle. Es hatte sich noch nichts geändert, seit die Römer die keltischen Lande verlassen hatten. Und wo gab es den heißersehnten Feierabend-Spielfilm? Sie suchte irgendeine Schnulze von Anno
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