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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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wenige Meter von mir entfernt am Boden. Als ich erkannte, was es war, kroch ich langsam darauf zu.
    Inzwischen hatte sich das, was ich von Sachmets Gesicht erkennen konnte, in eine rot glänzende Maske verwandelt. Ihre unverletzte Hand hatte sich im Genick der Katze verkrallt und zerrte mit aller Kraft daran. Aus ihrem blutenden Mund drangen kaum mehr verständliche gutturale Laute.
    Behutsam kroch ich näher an das ungleiche Paar heran. Bei einer ihrer unfreiwilligen Pirouetten konnte ich für einen Sekundenbruchteil den Kopf der Katze erkennen. Sie hatte blaue Augen. Stahlblaue Augen.
    Das Geschehen vor mir ließ mir jedoch keine Zeit zum Nachdenken.
    Mit einem harten Ruck brach Sachmet dem Tier endlich das Genick und schleuderte das leblose Fellbündel weit von sich. Erst jetzt konnte ich genau erkennen, welchen Preis die mächtige Göttin für ihren Sieg hatte bezahlen müssen.
    Mias einst so eindrucksvoll dunkle Augen waren nur noch blutende finstere Höhlen. An einer Stelle der Wange klaffte ein grausiges Loch, durch das man ihre Zähne sehen konnte. Hautstreifen hingen wie rotes Lametta von ihrem Kinn herab. Blind und heulend stolperte sie über den Müll.
    Ich kroch den letzten Meter zu meiner Waffe hinüber und zielte dann sorgfältig. Mein Finger zögerte kurz am Abzug. Obwohl dieses Wesen mir und vielen anderen Menschen unendliches Leid zugefügt hatte, empfand ich nun doch so etwas wie Mitleid oder Erbarmen mit seinem grässlichen Zustand.
    Dann dachte ich wieder an mein Mantra und an wunderbar stahlblaue Augen.
    Fünf oder sechs Kugeln beendeten Sachmets Leiden.
    Ich hörte nur noch, wie der Schlitten der Taurus mit einem lauten ›Klack‹ einrastete, dann nichts mehr. Endlich wurde es mir gestattet, in einen langen, tiefen Schlaf zu fallen.
     

»Menschen im Universum sind wie Hunde oder Katzen in einem Haus. Das meiste, was wirklich passiert, ist jenseits unseres Fassungsvermögens, und es ist das Sicherste, einfach stillschweigend darüber hinwegzusehen, zu hoffen, dass es hingenommen wird, unser Leben in Frieden zu leben.«

(Richard Adams: ›Das Mädchen auf der Schaukel‹)

»Was wir Anfang nennen, ist oft das Ende,
Und ein Ende zu finden, heißt einen Anfang machen.
Das Ende ist, wo wir anfangen.«

(T. S. Eliot)
     

Epilog
     
    »Avalon«
Santa Catalina, 1991

Wie ich sehe, sind nur noch wenige Seiten in meinem leidvollen ›Buch der Erinnerungen‹ verblieben. Aber es ist auch gut so, denn meine Geschichte ist eigentlich erzählt. Das, was noch von Bedeutung wäre, zerfällt in diffuse Erinnerungen, Gefühle, Vermutungen und Gedankensplitter. Ich will aber dennoch versuchen, ein wenig Ordnung in dieses Chaos zu bringen.
    Die Tatsache, dass ich heute noch lebe und diese Zeilen schreiben kann, habe ich indirekt Sheriff Friedlander zu verdanken. Friedlander hielt sich zwar an sein Versprechen, keine weiteren Kollegen zu alarmieren, vor seiner unplanmäßigen Fahrt nach Yucca Springs gab er allerdings der Zentrale meine genaue Adresse an. Er sei unterwegs zu einer ›Routinebefragung‹, wie er es nannte. Guter alter Friedlander.
    Als sich der Sheriff bis 10 Uhr nicht wieder gemeldet hatte und auch per Funk unerreichbar blieb, schickte man einen Wagen der hiesigen Polizei nach Glenbrook.
    Die Cops fanden nicht nur die Leiche in meiner Wohnung, sondern schließlich auch Mia und mich. Wie die Männer angeblich einem Freund im Vertrauen erzählt haben, soll sie das anhaltende Miauen einer Katze auf die leblosen Gestalten am Bus aufmerksam gemacht haben. (Ich kann diesen Teil der Geschichte allerdings nur schwer glauben.) Im amtlichen Bericht findet sich hierzu jedenfalls keine Bemerkung.
    Doch wie auch immer: Ich war der Einzige, für den eine ärztliche Hilfe noch nicht zu spät kam. Mehrere Tage überlegte ich mir, ob ich in Frieden zu Rosalie und all den anderen gehen oder auch weiterhin das schwere Los meines irdischen Schicksals erdulden sollte. Eine von vier gebrochenen Rippen hatte einen Lungenflügel verletzt, Elle und Speiche meiner linken Hand waren mehrmals gebrochen, innere Blutungen hatten den Arm aufblähen lassen, mein Finger konnte nicht mehr gerettet werden, ein Teil des Hüftknochens war abgesplittert, mein Kopf wies ein starkes Schädel-Hirn-Trauma auf, ich hatte beinahe zwei Liter Blut verloren … und trotzdem entschied ich mich verrückterweise für das Leben. Vielleicht, so denke ich, finde ich hier in Avalons Gefilden darauf eine Antwort. Ich werde viel Zeit dafür
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