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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss
Autoren: Sabine Klewe
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Lehrerzimmer. Bis auf einen Kollegen, der in einen Stapel Klassenarbeitshefte vertieft in der Ecke saß, war der Raum leer. Frau Reinhardt nahm eine Plastiktüte vom Tisch und reichte sie Katrin.
    „Bestellen Sie Herrn und Frau Arnold noch mal mein allerherzlichstes Beileid. Ich muss jetzt wieder an die Arbeit. Alles Gute, Frau Sandmann.“
    Sie schüttelte Katrin hastig die Hand, drehte sich abrupt um und schloss die Verbindungstür hinter sich. Katrin stand einen Augenblick wie benommen in dem großen Raum mit den vielen Tischen. Erinnerungen überfielen sie. Dieser verschrobene Deutschlehrer, der immer verschiedenfarbige Socken trug. Wie hieß er noch? Brandtheimer . Eckehard Brandtheimer . Die verhauene Englischarbeit in der neunten Klasse, deretwegen sie beinahe das Schuljahr hatte wiederholen müssen. Sie hatte wie verrückt für die Nachprüfung gebüffelt. Wie verzweifelt sie damals war. Und wie unwichtig ihr diese Dinge heute erschienen. Sie war nie gut in Fremdsprachen gewesen. Ihr lagen die logischen, klar strukturierten Dinge, Mathematik, Physik, Chemie.
    „Katrin? Katrin Sandmann?“
    Sie fuhr erschrocken herum. Der Lehrer, der die Klassenarbeiten korrigiert hatte, war aufgestanden.
    „Erinnern Sie sich noch an mich?“ Er lächelte herzlich und seine Augen leuchteten erfreut. Er war nicht besonders groß, kaum größer als sie selbst, und ein wenig untersetzt. Sein rotblondes Haar wuchs spärlich und lag ein wenig wirr. In der Mitte war sein Schädel fast kahl.
    „Herr Breuer! Ja, natürlich erinnere ich mich an Sie.“ Sie schüttelte die Hand ihres ehemaligen Mathematiklehrers. „Wie schön, dass Sie mich auch noch kennen.“
    Horst Breuer lächelte. „Sie waren eine der besten Schülerinnen, die ich je hatte.“
    Sie setzten sich. Der Lehrer bot ihr Kaffee an. Er schien sich ehrlich zu freuen, sie zu sehen. Katrin erzählte ihm von ihrer Arbeit als Fotografin. Sie hatte Herrn Breuer immer besonders gemocht. Er war ein fairer, fast zu gutmütiger Lehrer gewesen. Ihre Freundin Roberta hatte überhaupt keinen Sinn für Mathematik. Aber er hatte immer irgendwie dafür gesorgt, dass es wenigstens für eine vier auf dem Zeugnis reichte. Schließlich kam das Gespräch auf Tamara. Katrin erklärte, wie sie aufgrund eines merkwürdigen Zufalls zu einer Art Zeugin geworden war. Sie berichtete von der kleinen Engelsstatue, die vom Tatort verschwunden war, und wie sie Tamaras Eltern kennen gelernt hatte. Dann fragte sie:
    „Kannten Sie Tamara?“
    „Sie war meine Schülerin. Mathe und Physik.“ Horst Breuer sprach leise. Er senkte den Kopf.
    „Wie war sie so? Ihre Mutter behauptet, sie wäre eine sehr gute Schülerin gewesen.“
    „Sie war hochintelligent. Ich weiß nicht, wie es bei den anderen war, aber was meine Fächer angeht, kann ich nur sagen, dass sie wirklich erstaunlich begabt war. Eine Schande nur, dass sie sich für nichts wirklich interessiert hat.“
    Er sah Katrin an. In seinem Blick lagen Trauer und Betroffenheit. „Sie war nicht wie Sie, Katrin. Ich habe das Gefühl, sie hatte gar keine Freude am Leben.“
    Es klingelte. Plötzlich wurde es laut auf dem Gang vor dem Lehrerzimmer und nach und nach füllte sich der Raum.
    „Ich habe jetzt Unterricht.“ Horst Breuer stand auf.
    Katrin folgte ihm zu seinem Platz. Er packte die Klassenarbeitshefte zusammen, dann griff er nach einer ledernen Aktentasche. „Möchten Sie mich nicht einmal besuchen kommen? Es ist immer so schade, dass man seine ehemaligen Schüler nie wiedersieht . Ich würde mich gern in Ruhe mit Ihnen unterhalten. Meine Frau würde sich sicher auch freuen. Wir bekommen nicht allzu viel Besuch.“ Er lächelte wieder so herzlich wie am Anfang ihres Gesprächs. Sie gingen zusammen auf den Gang hinaus.
    „Was haben Sie damit gemeint, dass Tamara keine Freude am Leben hatte?“
    „Ach, ich weiß auch nicht. Ist so mein Eindruck. Gucken Sie sich doch die Schüler an. Wie die hier rumlaufen. Diese schmuddeligen, schlecht sitzen den Klamotten, diese widerlichen Piercings überall im Gesicht. Und dann lassen Sie sich abscheuliche Tätowierungen an den unmöglichsten Körperstellen machen. Als würden sie sich selbst hassen. Damit verbauen sie sich doch alle Chancen im Leben. Tamara war natürlich nicht die einzige, aber   ….“ Horst Breuer verstummte und starrte aus dem Fenster. Es klingelte erneut.
    „Ich muss los. Es war nett, Sie wiederzusehen , Katrin.“
    „Aber was?“
    „Ich habe sie natürlich nicht näher
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