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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss
Autoren: Sabine Klewe
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war fast so, als hätten hier mindestens zwei verschiedene Mädchen gewohnt, zwei sehr unterschiedliche Mädchen, die sich diesen winzig kleinen Raum irgendwie teilen mussten. Auf dem Fußboden neben dem Bett lag ein zerknülltes Blatt Papier. Katrin wollte sich danach bücken, aber Sylvia Arnold war schneller.
    „Bestimmt irgendeine misslungene Hausaufgabe.“ Sie warf den Zettel in den Papierkorb neben dem Schreibtisch ohne ihn sich anzusehen. Plötzlich blieb Katrins Blick an einem schwarzen Gürtel hängen, der an einem Nagel hing. In dem abgenutzten Leder steckten die gleichen hakenförmigen Nieten wie in dem Armband auf dem Schreibtisch. Er war sehr lang und breit, zu lang für ein schlankes, fünfzehnjähriges Mädchen. Dennoch wurde er offensichtlich regelmäßig benutzt. Warum war er nicht im Schrank? Es wirkte beinahe, als wäre er absichtlich so auffällig platziert worden.
      „Schon merkwürdig, was diese jungen Leute heute so alles anziehen.“ Sylvia nahm den Gürtel vom Nagel ab, rollte ihn sorgfältig zusammen und legte ihn in die oberste Schublade einer Kommode, die neben Tamaras Bett stand.
    „Aber Sie sind ja selbst noch so jung“, fuhr sie dann fort. „Da haben Sie sicher Verständnis für diese Dinge.“ Katrin hörte ein Telefon klingeln, dann Dieter Arnolds verhaltene Stimme. Sie folgte Sylvia zurück ins Wohnzimmer. Sie sollte jetzt wirklich gehen. Aber sie hatte das Gefühl, diese Frau nicht allein lassen zu können, so, als würde etwas Schreckliches passieren, sobald sie die Wohnung verließ. Dies alles hatte nichts mit ihr zu tun, und doch fühlte sie sich auf eine merkwürdige Art verantwortlich. Dieter Arnold legte gerade auf.
    „Die Schule. Frau Doktor Reinhardt war persönlich am Apparat. Herzliches Beileid vom Kollegium, und von den Schülern natürlich auch. Da sind noch Sachen in der Schule. Eine Kunstmappe und ein Sportbeutel oder so. Sie wollten jemand vorbeischicken. Aber ich habe gesagt, dass wir das lieber selbst holen. Muss nicht sein, dass jemand von denen herkommt.“ Sylvia hatte sich auf die Wohnzimmercouch gesetzt. Ihr Blick war wieder starr. Gedankenverloren schlug sie die Fotoalben zu und stapelte sie auf dem Tisch.
    „Haben Sie Frau Reinhardt gesagt? War Tamara auf dem Schiller-Gymnasium?“ Dieter Arnold nickte nur. Er sah seine Frau an und fuhr sich mit den Fingern nervös über die Stirn.
    „Das ist meine alte Schule“, erklärte Katrin. „Ich möchte mich nicht aufdrängen, aber wenn Sie möchten, kann ich Tamaras Sachen holen. Dann brauchen Sie da nicht hin.“ Dieter Arnold antwortete nicht. Er hatte sich zu seiner Frau gesetzt und den Arm um ihre Schultern gelegt. Beide schienen mit ihren Gedanken meilenweit entfernt zu sein. „Ich gehe dann jetzt. Auf Wiedersehen.“ Katrin drehte sich um und ging durch die enge Diele. Sie schauderte unwillkürlich. Die Arnolds schienen nette, einfache Leute zu sein. Aber irgendetwas in dieser Wohnung verbreitete eine dunkle, erdrückende Atmosphäre, machte es schwer, tief durchzuatmen.
    „Das mit den Schulsachen hat Zeit. Machen Sie es irgendwann, wenn Sie Lust haben. Und vielen Dank noch mal.“ Dieter Arnold stand im Türrahmen. Seine große, schlanke Gestalt wirkte im Dämmerlicht wie ein Geist.
    „Mami! Mami! David hat mir auf mein Bild gemalt.“ Johanna Wickert kam in die Küche gerannt, in ihren Augen blinkten Tränen der Wut und Empörung. Hoch über ihrem Kopf hielt sie ein Blatt Papier, das Bild, das sie versuchte vor weiterem Schaden zu schützen.
    Roberta seufzte. „Zeig mal.“ Sie griff nach der Zeichnung und betrachtete sie. Ihre siebenjährige Tochter hatte mit feinem Buntstift eine Prinzessin gemalt. Warum malen Mädchen immer Prinzessinnen? Sie trug ein langes, rosa Kleid und hielt die übergroßen Hände von sich gestreckt als gehörten sie nicht zu ihr. Auf dem knallgelben Haar blinkte eine pompöse, goldene Krone. Quer über den weißen Schleier, der hinter der schlanken Figur bis zum Bildrand reichte, verlief ein giftgrüner Strich in dicker Wachsmalkreide.
    „David! Komm sofort her!“
    Er stand bereits im Türrahmen, sein Gesichtsausdruck trotzig, das Kinn herausfordernd vorgestreckt.
      „Sie hat gesagt, dass mein Bild doof ist.“
    Roberta sah ihre Tochter scharf an. „Stimmt das?“
    „Und David hat gesagt, dass meins doof ist.“
    „Aber die Hanna hat angefangen!“ David lehnte immer noch an der Tür. Er zog es vor, die Angelegenheit aus sicherer Distanz zu klären. „Ihr
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