Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katja Henkelpott 2 - Katja Henkelpott und die Schlangekoenigin

Katja Henkelpott 2 - Katja Henkelpott und die Schlangekoenigin

Titel: Katja Henkelpott 2 - Katja Henkelpott und die Schlangekoenigin
Autoren: Helmut Sakowski
Vom Netzwerk:
Autobahn

    Meine Großmutter Habenicht wohnt in Pälitzhof, das ist ein kleines Dorf in Mecklenburg, wo es sehr alte Häuser und sehr alte Bäume gibt und einen großen See. Aber das habe ich, glaube ich, schon erzählt.
    Mein Vater fuhr uns in seinem neuen Wagen hin. Das ist ein kleiner Japaner, auch nicht größer als ein Trabbi. Der Platz reichte gerade für eine dünne Familie mit Hund. Ich wurde auf dem Kindersitz festgeschnallt und mußte hinten sitzen. Von dort hatte ich den besten Überblick. Hundesitze gibt es leider nicht zu kaufen. Zottel lag mit dem Kopf auf meinem Schoß. Da hatte ich was zu streicheln und zu beschützen.
    Während der Fahrt über die Autobahn gab es eine Menge zu sehen. Ich blickte auf die Rückseite meiner Eltern. Mein Vater kriegt eine Glatze, die schön glänzt, und Mutters Haare schimmern wie lackiertes Ebenholz. Ich glaube, Schneewittchen hat von hinten auch nicht besser ausgesehen. Wenn ich mich ein bißchen zur Seite schob, konnte ich die Augen meines Vaters im Rückspiegel sehen. Sie strahlten mich an, und weil ich meinen Vater mag, führte ich die Fingerspitzen an den Mund und warf ihm mehrere Küsse über seine Schulter nach vorn. Er hat vor Freude geschmatzt.
    Viele große Autos zischten an uns vorüber. Die Fahrer wollten unbedingt schneller sein als wir. Wahrscheinlich bemerkten sie in der Eile gar nicht, daß die Waldesbäume grüne Blätter trugen und uns mit ihren Asten zuwinkten. Es war ja schon Mai, und auf den Wiesen blühte der Löwenzahn. Als ich mich duckte, um aus dem Fenster nach oben zu spähen, sah ich Kraniche mitten durch den blauen Himmel ziehen. Gern hätte ich ihre Trompetenstimmen gehört, aber bei hundertzwanzig auf der Autobahn macht auch ein kleines Auto solchen Lärm, daß man kein Wort versteht und keinen Vogelschrei, sondern bloß ein Rauschen hört.

    Meine Mutter hatte den Kopf nach rückwärts gewendet, um mir was Wichtiges zu sagen. Sie machte den Mund auf und zu, aber es war so ähnlich wie im Fernsehen, wenn bei der blöden Werbung der Ton weggedreht wird. Man sieht nur, daß die Leute Faxen machen. Ich konnte nichts verstehen. Da stieß sie mit dem Zeigefinger gegen die Frontscheibe, und mein Vater mußte abbremsen, weil sich vor uns ein paar riesige Trucks ein Wettrennen lieferten. Einer wollte den anderen überholen, kam aber nur im Schneckentempo voran. Mein Vater fuhr so langsam, daß ich hören konnte, was er sagte: »Ein Kampf der Giganten.«
    Unser kleiner Japaner folgte dem einen Riesen auf der Überholspur, aber das gefiel dem großen Mercedes hinter uns nicht. Er funkelte mit der Lichthupe und wollte meinen Vater zur Seite jagen. Ich verstehe nicht, daß die Kleinen immer den Großen Platz machen sollen, und sagte: »Papa, unser Wagen ist so niedrig, daß wir zwischen den Truckrädern hindurchfahren können.«
    Aber er traute sich nicht, und die nachfolgenden Autos hupten und bedrängten uns weiter. Das fand ich gemein. Ich schnallte mich ab, kniete mich hin und glotzte aus dem Rückfenster. Der Mercedesfahrer war so dicht aufgefahren, daß ich dachte, er schiebt uns mit seiner Stoßstange vor sich her. Ich habe dem Fahrer meine furchtbaren Zahnlücken gezeigt und so stark gelächelt, daß er sich vor Schreck zurückfallen ließ.
    Wir konnten in der Spur bleiben, und als der eine Laster den anderen endlich überholt hatte und wir ebenfalls, schwenkte mein Vater langsam nach rechts. Jetzt ließen wir die anderen vorbei.
    Meine Mutter sagte zu meinem Vater: »Verstehst du, warum uns die feinen Leute in den vornehmen Wagen einen Vogel zeigen?«
    Mein Vater zwinkerte mir im Rückspiegel zu.
    Bei Röbel konnten wir endlich von der Autobahn hinunter. Die Alleenstraße war so schön, daß mein Vater ganz sachte in die Kurven ging. Es war beinahe so gut wie Achterbahn, als wir uns im Auto wiegten. Ich hatte gute Laune, und weil ich einen Spaß machen wollte, sang ich laut das komische Lied von einer Kassette:

    Mein Vater hat ‘ne Glatze mit Geländer,
    mein Vater ist ein ganz famoser Mann.

    Weil ich so schön sang, wollte Zottel auch singen und fing an zu winseln. Meinen Eltern gefiel es nicht, da waren wir aber schon in Pälitzhof und hielten vor Großmutters Katen.

Eine Überraschung

    Mein Vater hupte, meine Mutter stieg aus, meine Großmutter Habenicht trat vor die Tür und schlug die Hände zusammen.
    »Das ist aber eine Überraschung.«
    Ich schnallte mich ab, so rasch ich konnte. Mutter kippte die Rücklehne des Vordersitzes,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher