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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition)
Autoren: Philipp Reinartz
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Ergänzung erntet ein zustimmendes Nicken von Marty.
    «Irgendwie loungemäßig eben.»
    «Da kann man vom Wortfeld auch mal in den Bereich Architektur, Musik oder Design gehen.»
    Es reicht.
    «Äh, wollt ihr mir vielleicht erst einmal sagen, um was für ein Produkt es geht? Was macht denn Ellringer?»
    «Ach so, ja. Es geht um eine Zylinderkopfschraube. Für Automotoren», sagt Marty trocken, ohne das leere Entsetzen in meinem Blick zu bemerken. Ich stelle mir vor, wie irgendein Jungbanker seinen Arbeitskollegen stolz den neuen Benz präsentiert und prahlt: «270 PS, V8-Direkteinspritzung, 20-Zoll-Alufelgen, aber wisst ihr, was am coolsten ist: Da ist doch tatsächlich so eine loungemäßige Purple-Cocoon -Zylinderkopfschraube verbaut, die sind jetzt ja so was von im Trend.»
    «Ist das euer Ernst? Die wollen, dass ihr Metallpfropfen Symphonie oder Colosseum heißt?»
    «Das ist kein Metallpfropfen, das ist eine hochinnovative Gewindedehnschraube mit hoher Elastizität, die eben vor allem im Premiumsegment eingesetzt werden soll», werbert das lila Hemd.
    «Mhm.» Ich sag jetzt lieber nichts mehr. Obwohl. Doch.
    «Wenn eure Festangestellten auch mal arbeiten würden, statt den ganzen Tag bei Facebook zu surfen, könntet ihr euch vielleicht den Luxus gönnen, manche Jobs abzulehnen.»
    «Wir sind eine Werbeagentur, da passen Social Networks absolut in die Unternehmenskultur», versucht mich Glatzen-Yul zu belehren.
    «Arbeiten und Facebook passt zusammen wie das scheiß Feuerschild zum Knallfrosch», entgegne ich ihm einige Dezibel zu laut. Aber was labert der denn heute auch für ein Broschürengesülze?
    «Weiß Glatzen-Yul eigentlich, dass er hier gerade nicht beim Interviewtermin mit brandeins ist?», frage ich Marty.
    Ich schaffe es tatsächlich, sie damit ein ganz kleines bisschen zum Lächeln zu bringen. Er merkt das und fingert pikiert an seiner Brille herum.
    «Komm schon, jetzt nicht böse werden», bemitleide ich ihn. «Ah nee, so versteht er das ja nicht. Ähm, arbeite doch mal an deinem Emotion Management!» Schon wieder zucken Martys Mundwinkel nach oben. Es reicht für Maurice, um grußlos den Raum zu verlassen.
    «Boah, das ist ja Wellness für die Augen, wenn der sein Lila jetzt mal draußen auf dem Gang verteilt», versuche ich noch einen Lacher hervorzukitzeln. Fehlanzeige.
    «Nenn ihn doch nicht immer Glatzen-Yul», sagt Marty sanft und mit einem Hauch von Mitleid in der Stimme. Ach ja, ich hatte vergessen, dass eine Metamorphose von Moritz zu Maurice nicht so weit von Martina zu Marty entfernt ist. Dann schaue ich jetzt mal betreten zur Seite.
    «Ist grad alles ein bisschen schwierig bei mir», sage ich. Und das stimmt sogar.
    «Ich weiß.»
    «Was? Wieso das denn?»
    «Na ja, du arbeitest beim Privatfernsehen.»
    Ich überlege kurz, was ich darauf sagen soll, suhle mich dann aber lieber weiter in ihrem Mitleid und schweige. Aber so viel hat sie davon leider nicht übrig.
    «Na gut, Max, Ellringer hat noch ein bisschen Zeit, schick uns einfach in den nächsten Tagen deine Vorschläge für den Brasilianer. Wie ich dich kenne, werden schon ein paar gute dabei sein, und dann kommt Glatzen … äh … Maurice auch wieder runter.»
    Sie lächelt, und ich stehe auf. Als ich schon fast an der Tür bin, schiebt Marty nach:
    «Ach und wegen Facebook. Wir hatten das letzte Woche mal testweise sperren lassen. Innerhalb von zwei Stunden kamen 14 Mitarbeiter und meinten, ihr Internet funktioniere heute nicht richtig. In der Mittagspause sah die halbe Mannschaft aus, als hätte sie drei Tage ohne Strom gelebt. Es geht wohl echt nicht anders, aber mir passt das auch ganz und gar nicht.»
    Ich nicke und verlasse Martys Büro. Als ich im Flur die letzte Menschentraube Richtung Ausgang schlendern sehe, kommt mir die Idee für meine erste gute Tat des Tages. Ich beschleunige meinen Gang auf ein aggressives Stakkato, pumpe mich spontan mit Adrenalin voll und überhole mit einem wutschnaubenden «Kann doch nicht wahr sein! Kürzt die mir mein Gehalt, weil ich zu viel bei Facebook bin!». Das dürfte sitzen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Allererste Sahne
    Wenn es mir schlechtgeht, hasse ich Reis. Ich habe keine Ahnung, warum, da er mir eigentlich gut schmeckt, aber mein inneres Reishassbarometer ist ein sicherer Indikator für meinen Seelenzustand. Dementsprechend merke ich beim Betreten der Küche, dass es mir heute nicht besonders gut geht. Denn das Letzte, worauf ich jetzt Lust habe, ist Reis. Genau an solchen Tagen
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