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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition)
Autoren: Philipp Reinartz
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ausgeliefert sehe. Ich weiß nicht, welche Wünsche Wilhelm gewöhnlich seinem Friseur gegenüber äußert, aber wenn er das nächste Mal «Ich muss morgen als Vogelscheuche zu einer Mottoparty» sagt, würde das vermutlich zu keinem wesentlich anderen Ergebnis führen. Das Positivste, was man über seine Kleidung sagen kann, ist wohl, dass sie warm hält und vor Regen schützt. Er trägt das, was vor fünf bis zehn Jahren uncool war, damals aber wenigstens noch verkauft wurde. Wilhelm schafft es sogar, dass die Löcher in seiner Jeans weder «used» noch «vintage» aussehen, sondern einfach nur scheiße. In Lennys Showroom passt er ungefähr so gut wie ein Thunfisch in die Kalahari. Oder eben wie eine Vogelscheuche in einen BoConcept -Katalog.

    Als wir zwei Sixpacks und einige Drinks später in die Bahn steigen, erkundigen wir uns bei Abendgestalter Lenny, auf wessen Party er uns da eigentlich lotst.
    «Ich hab’s euch doch schon gesagt: Ich kenn da Mona und Lynn, die studieren Zahnmedizin, und die sind heiß.» Er weiß es offensichtlich auch nicht.
    «Und woher kennst du die?», versuche ich die dürftige Faktenlage etwas anzureichern.
    «Ach, lange Geschichte. Die saßen neulich im Café Claveau am Nebentisch, und ich hab mitbekommen, wie die eine meinte, auf ihrem Ersatzhandy sei ein Virus. Bin ich hin, hab zu der gesagt, dass ich mich damit auskenne und gerne drum kümmer, weil ich diesen Virus kenne und da jetzt ein Programm geschrieben habe, das den wegmacht.»
    «Wer hat denn bitte ein Ersatzhandy?», fragt Wilhelm verächtlich, dessen Handys eigentlich immer wie Ersatzhandys aussehen.
    «Wer hat denn bitte einen Virus auf seinem Handy?», interessiert mich viel mehr.
    «Ach, hab die doch verarscht. Da war nur aus Versehen Albanisch als Menüsprache eingestellt, aber hab ich der ja nicht gesagt.»
    «Sollen wir nicht vorher noch ein gemütliches Bier im Stutzen trinken?» Selbstverständlich prallt Wilhelms Vorstoß ab.
    «Wer früher gräbt, hat länger Sex!», zwinkert Lenny und wechselt nach einer Pause betretenen Bahnschweigens scheinbar das Thema: «Wie läuft’s bei euch eigentlich gerade beim F-Manager 3000?»
    Wenn Lenny seine 3000 nicht hätte. Bei irgendeinem Geburtstag hat mir einer seiner ehemaligen Klassenkameraden verraten, dass es vorher immer die 2000 war, dass «Spickzettel 2000» und «Snack-Automat-Knacken 2000» dann aber mit dem Millennium abgelöst wurden. Wieso auch immer Lenny diese Zahl obligatorisch hinter jede seiner Ideen hängt, der F-Manager 3000 gehört noch zu den besseren. Seit sich unsere Millionen heimliche Bundestrainer in Fußballmanagerspielen austoben können, sind Konversationen über den eigenen Verein und interessante Spieler auf dem Markt ja so alltäglich geworden, dass sie in der Öffentlichkeit keinerlei Aufsehen erregen. Und wenn Lenny den F-Manager 3000 ins Spiel bringt, folgt tatsächlich jenes scheinbar oberflächliche Fußballgeplänkel, das Unbeteiligte sofort auf Durchzug stellen lässt. Doch in Lennys Welt steht F für Frauen. Der F-Manager 3000 ist sein Codewort, um auch in der Öffentlichkeit ungehemmt über das eigene Liebesleben reden zu können – ein Bedürfnis, das meistens er allein verspürt.
    «Also, ich würd an eurer Stelle heute unbedingt mal auf den Transfermarkt schauen. Ich glaube, da sind einige Granaten dabei», heizt Lenny daher auch das Gespräch an. Wie erwartet verlässt ein weißbärtiger Mithörer, dem man seinen kölschen Dialekt ansieht, ohne je ein Wort aus seinem Mund gehört zu haben, das Gespräch in Richtung Zeitung.
    «Und was ist für dich eine Granate?», fragt Wilhelm gelangweilt, und ich sehe am Horizont schon die Grundsatzdiskussion aufziehen.
    «Spieler mit hohem Marktwert, die dennoch leicht zu haben sind», antwortet Lenny mit so überheblicher Selbstverständlichkeit, als hätte sich Wilhelm nach der Farbe von Schnee erkundigt.
    «Solche Spieler sind aber selten vereinslos», kontert Wilhelm.
    «Dann muss man sie eben auf Leihbasis verpflichten», zwinkert Lenny, «da spart man sich die hohen Vertragskosten, und in der kurzen Zeit, in der der Spieler bei dir ist, gibt der 180 Prozent.»
    «Man muss nur aufpassen, dass der dann nicht irgendwann wieder vor der Tür steht, weil er seine Stutzen vergessen hat», werfe ich ein und zwinkere demonstrativ in bester Lenny-Manier.
    «Ihr müsst halt einfach ein bisschen offensiver in die Vertragsverhandlungen gehen», lenkt der ab und wendet seinen Blick zu
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