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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma
Autoren: H Brown
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er denn mit ›etwas Besonderes‹?«, fragte ich Lydia. »Der spinnt ein bisschen, oder?«
    »Mach dir deswegen keine Gedanken«, erwiderte sie seufzend und musterte meine rote Leinenbluse. »Zieh dich lieber um. Wir müssen Weiß tragen.«
    Da ich gedacht hatte, dass der religiöse Teil meiner Reise abgeschlossen war, hatte ich alle weißen Kleidungsstück ganz unten in meinen Koffer verbannt. Na ja, der Knitterlook war mittlerweile so sehr out, dass er vielleicht schon wieder in war.
    Ein weiterer durchgedrehter Tuk-Tuk-Fahrer schüttelte uns auf der abschüssigen Straße mit kratergroßen Schlaglöchern gründlich durch. Gelegentlich hielt er auf dem Weg in die Stadt an einem Laden und informierte uns, dass er und seine Familie hier alle ihre Edelsteine/Antiquitäten/Designer-Klamotten kaufen würden und wenn wir hineingehen und uns umsehen wollten, würde er gerne auf uns warten. Lydia erklärte mir, dass alle Tuk-Tuk-Fahrer das probierten. Später würden sie die Läden noch einmal aufsuchen und ihren Anteil an dem, was wir gekauft hatten, einsammeln.
    Freundlich bedeutete sie ihm weiterzufahren, damit wir den Zahntempel vor der größten Mittagshitze und dem Massenansturm erreichten. Ich war mir über die Bedeutung des Tempels der heiligen Zahnreliquie in Kandy nicht im Klaren gewesen. Als Aufbewahrungsort eines Zahns (oder vielmehr des Bruchstücks eines Zahns), der einstmals Buddha höchstpersönlich gehört hatte, zählte der Tempel zu einer der wichtigsten Kultstätten in ganz Sri Lanka.
    Der Eckzahn wurde bei der Einäscherung Buddhas 542 v.Chr. gerettet und im vierten Jahrhundert n.Chr. verborgen im Haar einer Prinzessin auf die Insel geschmuggelt. Derjenige, der im Besitz der Reliquie sei, so heißt es, habe das Recht, über das Land zu herrschen. Wegen seiner großen Bedeutung war der Zahntempel mehrere Male bombardiert worden, das letzte Mal 1998, als bei einem Selbstmordattentat elf Menschen starben. Der Tempel wurde immer wiederaufgebaut, so dass man ihm seine wechselhafte Geschichte nicht ansieht.
    Jeder Buddhist in Sri Lanka hat das Ziel, einmal in seinem Leben eine Pilgerreise zum Zahntempel zu unternehmen. Lydia hatte ihn zwar schon viele Male besucht, aber nie am Poya-Tag.
    Die Tempelgebäude und der Palastkomplex über dem klaren Kandy-See waren genauso imposant, wie ich erwartet hatte. Tausende zum überwiegenden Teil weiß gekleidete Menschen strömten auf den Eingang zu.
    Ich bin schon immer klaustrophobisch veranlagt gewesen, einer der Gründe, warum ich keine Rockkonzerte und Rugby-Spiele besuche. Als ich die Menge vor dem Zahntempel sah, spielte ich kurz mit dem Gedanken, mich mit einem kalten Getränk unter einen Baum zu setzen, während Lydia in den Tempel ging und sich das Bad in der Menge gönnte. Aber ich hatte auf dieser Reise schon so viele Phobien bezwungen, da kam es auf die auch nicht mehr an.
    Wir engagierten einen Führer, zogen unsere Schuhe aus und stiegen eine breite Marmortreppe hinauf. In der Gluthitze zwischen so vielen Menschen eingequetscht, spürte ich Panik in mir aufsteigen. Ich versuchte, ruhig zu bleiben – und auf alle Fälle meine Würde zu bewahren, sei es auch nur für meine Tochter.
    »Lassen Sie sich einfach mit den anderen mittreiben«, wiederholte unser Führer mehrmals in einem beruhigend nüchternen Tonfall.
    Bald schon klebte mir die Bluse am Rücken und der Schweiß rann mir über die Stirn. Lydia kaufte drei große weiße Lotusblüten als Opfergabe für Buddha. Eine reichte sie mir und eine unserem Führer. Verlegen umklammerte er die Blüte und starrte auf den Boden. Ein Wachmann lachte und warf ihm eine Bemerkung zu.
    Ich ließ meine Blüte fallen und bückte mich, um sie aufzuheben.
    »Nein! Das dürfen Sie nicht!«, fuhr mich der Wachmann an. »Die Opfergaben müssen rein und sauber sein, nichts darf auf dem Boden gelegen haben.«
    Am Ende der Treppe führte man uns in einen offenen, von Säulen getragenen Raum. Farbenfrohe Fahnen hingen von einer Decke aus goldenen Lotusblüten. Musiker in Sarongs mit roten Schärpen und weißen Kappen traten ins Licht. Trommeln schlugen einen hypnotischen Rhythmus. Blasinstrumente setzten mit einer betörenden Melodie ein – eine tranceartige Musik.
    Wir erklommen weitere Stufen und ich konzentrierte mich darauf, ruhig zu bleiben. Als wir den Raum mit der Reliquie erreichten, war ich zu sehr mit Atmen beschäftigt, um viel von meiner Umgebung mitzubekommen. Lydia legte ihre Blüte auf den Schrein mit dem Zahn
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