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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma
Autoren: H Brown
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und langsam stiegen wir die Treppe wieder hinunter und traten in das blendend weiße Tageslicht. Selten war ich erleichterter.
    Draußen liefen wir einem äußerst beeindruckenden, riesigen Elefantenbullen über den Weg. Ich hielt ihn im ersten Moment für das gelungene Werk eines Präparators. Daher wäre ich beinahe auf den nächsten Baum gesprungen, als sich plötzlich sein Rüssel bewegte und in meine Richtung schwang. Der Elefant blinzelte mich schalkhaft an. Ein Mann hielt ihm eine Bananenstaude hin und der Elefant entrollte seinen Rüssel, faltig und abgenutzt wie ein alter Staubsaugerschlauch, und schnappte sich die Bananen mit einer geschickten Bewegung. Erstaunt sahen wir zu, wie der Elefant die Staude im Ganzen verschlang – inklusive Schalen und Ast.
    Der Führer eskortierte uns durch einen Hof mit Hunderten weiß gewandeten Frauen, die unter den Bäumen lagerten, während über Lautsprecher eine Männerstimme vom Band buddhistische Lehren verbreitete. Einige Frauen waren allein und sahen aus, als würden sie zuhören, aber die meisten unterhielten sich leise.
    »Warum sind sie hier?«, flüsterte ich.
    »Weil Frauen mehr erdulden müssen als alle anderen«, erklärte unser Führer. »Sie widmen ihr Leben der Familie und dann kommen sie her, um etwas von dem Versäumten nachzuholen.«
    Nickend lächelten sich zwei Großmütter auf eine lustige Bemerkung hin an. Eine Gruppe Frauen mittleren Alters saß in einmütigem Schweigen zusammen. In ihre Gesichter waren die Geschichten ihres Lebens eingemeißelt. Keine von ihnen hatte eine schmerzfreie Geburt hinter sich. Sie waren alle krank vor Sorge um ihre Kinder gewesen – und um die Ehemänner und Eltern. Sie hatten alle ein Leben lang gegeben und gönnten sich nun eine kleine Auszeit.
    In dem Hof herrschte eine so friedliche Stimmung, dass ich mich am liebsten zu den Frauen in den Schatten gesellt hätte. Von außen betrachtet hatten unsere Leben nicht viel miteinander zu tun, aber im Grunde waren wir doch alle Schwestern.
    Einige der älteren Frauen blieben den ganzen Abend über, fuhr unser Führer fort, und unterhielten sich und tranken Tee. Die Jüngeren brachen gegen fünf Uhr nachmittags auf – nachdem sie fast den ganzen Tag hier verbracht hatten.
    Es war ein lebendiger Kreis von Frauen. Ähnlich wie ich in meiner Yogagruppe, von Mary und meinen Freundinnen liebevolle Unterstützung erfahren hatte, hatten diese Singhalesinnen einen festen Bund geschlossen. Ich wünschte, es gäbe in Melbourne einen Ort wie diesen, an dem sich Frauen treffen und einfach nur sein konnten.
    Nach einer neuerlich angstschweißtreibenden Tuk-Tuk-Fahrt den Hügel hinauf kehrten wir erhitzt und staubig in unser Hotelzimmer zurück.
    »Ich fass es nicht!«, rief Lydia bei dem Anblick, der sich uns bot.
    Unsere Betten waren mit roten Blüten geschmückt, die sich leuchtend von dreieckigen purpurnen Blättern abhoben und in präzisen geometrischen Mustern arrangiert waren. Jeweils drei rote Blüten lagen nebeneinander auf unseren Kissen. Auf Lydias Bett ruhte daneben ihr liebevoll zusammengefalteter Schlafanzug.
    Ihr Bewunderer hatte sich tatsächlich etwas Besonderes ausgedacht.
    Wir zogen unsere Badeanzüge an und gingen in der warmen Abendluft auf dem Weg zum Pool an einem Schild vorbei, auf dem der Schicksalsdeuter des Hotels angepriesen wurde. In Sri Lanka wird das Englische gern etwas verfeinert. Auf den kleinen Schildchen auf den Tischen steht nicht »Reserviert«, sondern »Versprochen«.
    Eine Deutsche rief ihr Kleinkind vom Beckenrand weg. An einem Tisch nippte ein französisches Paar an seinen Cocktails. Im Vergleich zum Kloster hatte der Luxus hier etwas Surreales.
    Hinter den Hügeln auf der gegenüberliegenden Talseite ging langsam die Sonne unter. Goldgeränderte Wolken erhoben sich wie Tempel über dem Hügelkamm. Lautlos glitten Lydia und ich in der warmen Abendluft in den Pool und ließen uns von dem kühlen Türkis salben.
    Nach dem erfrischenden Bad schüttelte ich meine Haare aus und setzte mich, um das Spektakel auf der anderen Talseite zu bewundern. Es hatte keinen Sinn, die Kamera zu holen. Diese Stimmung konnte kein Foto einfangen. Wenn ein großer Künstler einen solchen Sonnenuntergang gesehen hätte – von den alten Meistern angefangen bis van Gogh –, hätte er seinen Pinsel niedergelegt und wäre gegangen.
    Von einem Kloster in der Nähe wehten die samtenen Stimmen der singenden Mönche herüber. Die Sonne warf breite goldene Strahlen über den
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