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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal
Autoren: Libba Bray
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dir nicht helfen kann, nach drüben überzusetzen, nachdem du die Beeren gegessen hast. Du wirst im Magischen Reich bleiben müssen«, erkläre ich ihr.
    »Ja, Miss«, sagt sie und es klingt nicht traurig. »Bessie und ich, wir bleiben da und machen das Beste draus. Kann ich dir was zeigen?«, fragt Wendy.
    Sie nimmt meine Hand und führt mich in das Tal, wo kürzlich unsere Schlacht stattgefunden hat. Zwischen den eisigen Schneeflecken sprießen unerwartete Pflanzen.
    »Sag mir, was du siehst«, bittet Wendy.
    »Wunderhübsche Blumen gucken hervor. Wie im Vorfrühling«, sage ich. »Hast du die gepflanzt?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich hab nur die hier gemacht«, sagt sie und tastet nach einer hohen Pflanze mit dicken, flachen roten Blättern. »Ich hab meine Hände in die Erde gegraben und es war, als könnte ich die Magie darin fühlen, die dort wartet. Ich hab meine Gedanken draufgerichtet und sie ist gewachsen. Und dann war’s, als ob sie sich festhält, und die anderen sind ganz von selbst gekommen. Ist doch ein guter Anfang, nicht?«
    »Ja«, sage ich. Das Tal erstreckt sich weit, in einer Mischung aus Farbe und Eis. Das verwundete Land wird unter Schmerzen neugeboren.
    Es ist ein sehr guter Anfang.
    Ein Mann kommt furchtsam auf mich zu, seinen Hut in der Hand. »’tschuldigung, Miss, aber ich hab gehört, Sie können mir helfen, ins Jenseits hinüberzugehen.«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    Seine Augen weiten sich. »Ein schreckliches Wesen mit einem Kopf voller Schlangen!«
    »Sie brauchen sich vor ihr nicht zu fürchten.« Ich nehme den Mann an der Hand und führe ihn zum Fluss. »Sie ist so zahm wie ein Kätzchen.«
    »Sah mir nicht so harmlos aus«, flüstert er schaudernd.
    »Nun ja, die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen, Sir, und wir müssen lernen, uns selbst ein Urteil zu bilden.«
    *
    Diejenigen, die meine Hilfe brauchen, kommen da und dort hervor: Einer möchte seiner Frau sagen, dass er sie liebt, wie er sie im Leben nie lieben konnte; eine bedauert einen Zank, den sie mit ihrer Schwester hatte und der sie deshalb ihr Leben lang grollte; eine andere, ein vielleicht achtzehn Jahre altes Mädchen, ist völlig verschreckt.
    Sie klammert sich an meinen Arm. »Ist es wahr, dass ich nicht nach drüben muss? Ich habe gehört, dass es einen Ort gibt, wo ich weiterleben kann. Stimmt das?« Aus ihren Augen blickt eine verzweifelte Hoffnung.
    »Es stimmt«, antworte ich. »Aber es ist nicht umsonst. Nichts ist umsonst.«
    »Aber was wird aus mir, wenn ich über den Fluss setze?«
    »Ich weiß es nicht. Niemand weiß das.«
    »Oh, bitte, sagen Sie mir bitte, welchen Weg ich einschlagen soll?«
    »Ich kann nicht für dich entscheiden. Du musst deine Wahl allein treffen.«
    Ihre Augen schwimmen in Tränen. »Es ist so furchtbar schwer.«
    »Ja, das ist es«, sage ich und halte ihre Hände. Das ist alles, was ich an Magie aufbringen kann.
    Am Ende entschließt sie sich zu gehen – wenn ich sie auf dem von der Medusa gesteuerten Boot über den Fluss begleite. Es ist meine erste Reise dieser Art und mein Herz schlägt wild. Ich möchte wissen, was jenseits dessen liegt, was ich bereits gesehen habe. Je näher wir dem Ufer kommen, desto heller wird es, bis ich meinen Kopf wegdrehen muss. Ich höre nur den tiefen Seufzer des Mädchens. Ich spüre, wie das Boot leichter wird, und weiß, dass sie fort ist.
    Mein Herz ist schwer, als wir die Rückreise antreten. Das leise Plätschern der Strömung wird zu einem Geflüster und raunt mir die Namen derjenigen ins Ohr, die nicht mehr sind: meine Mutter, Amar, Carolina, Mutter Elena, Miss Moore, Miss McChennmine und ein gewisser Teil von mir selbst, der nicht zurückkommen wird.
    Kartik. Ich blinzle energisch die Tränen fort, die mir in die Augen steigen. »Warum müssen Dinge zu Ende gehen?«, sage ich leise.
    »Unsere Tage sind alle im Buch der Tage gezählt, Gebieterin«, murmelt die Medusa, als der Garten wieder in Sicht kommt. »Das verleiht ihnen ihre Süße und ihren Sinn.«
    Als ich in den Garten zurückkehre, streicht ein sanfter Wind durch den Olivenhain. Es riecht nach Myrrhe. Mutter Elena kommt auf mich zu, ihr Medaillon glänzt auf ihrer weißen Bluse.
    »Ich möchte jetzt meine Carolina sehen«, sagt sie.
    »Sie wartet auf dich jenseits des Flusses«, sage ich.
    Mutter Elena lächelt mich an. »Du hast deine Sache gut gemacht.« Sie legt eine Hand an meine Wange und sagt etwas in Romani, das ich nicht verstehe.
    »Ist das ein Segen?«
    »Es
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