Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karl der Dicke beißt sich durch

Karl der Dicke beißt sich durch

Titel: Karl der Dicke beißt sich durch
Autoren: Werner Schrader
Vom Netzwerk:
anderen Zeitungen bis zum Überlaufen gefüllt sind, suchen Sie bei uns vergebens. Wir sind nämlich der Meinung, daß es mehr Gutes als Böses auf der Welt gibt, man erfährt nur so wenig davon. Und das wollen wir ändern, da setzen wir den Hebel an!“
    „Wie schön“, sagte der Wirt, „aber was soll ich dabei tun?“ Karl lehnte sich lässig an die Theke.
    „Eine Zeitung dieses Inhalts“, erklärte er, „ist natürlich ein Zuschußbetrieb. Wer Sensationen verkauft, wird reich, dem reißen sie die Nachrichten nur so aus der Hand. Wer dagegen ohne Übertreibung klar und nüchtern von den guten Taten seiner Mitmenschen berichtet, muß sehen, wie er seine Nachrichten an den Mann bringt. Er muß froh sein, wenn er Abonnenten gewinnt, die ihm wenigstens einen Teil seiner Unkosten tragen helfen. Sie sind, Herr Wirt, das haben wir längst gemerkt, keiner von denen, die sich durch die widerlichen Meldungen schlechter Zeitungen verunsichern lassen. Und wir glauben, Ihnen ist eine gute Sache auch ein paar Mark wert. Darum bitten wir Sie rundheraus: Abonnieren Sie unsere Zeitung für ein Jahr zu dem lächerlichen Preis von 5 Mark. Sie wird Ihnen frei Haus zugestellt und wird Ihr Leben ganz bestimmt bereichern.“
    Der Wirt starrte Karl bewundernd an.
    „Du kannst ja reden wie ein Minister“, sagte er. „Lernt ihr das bei euch in der Schule?“
    „Natürlich“, antwortete Karl, „und noch ‘ne ganze Menge andere Dinge dazu. Der da drüben“, dabei zeigte er auf Guddel, „schreibt sogar Romane. Er ist darum auch der Chefredakteur unserer Zeitung.“
    „Romane?“ staunte der Wirt. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“
    Er schien an seine eigenen Schreibkünste zu denken.
    Karl warf seinen Freunden einen schnellen Blick zu. „Also dürfen wir Sie als Abonnenten buchen? Wir garantieren Ihnen viele glückliche Stunden mit unserem Blatt und prompte Zustellung.“
    „Na ja“, sagte der Wirt, „warum nicht! Gebt mir mal eine von euren Zeitungen.“
    „Das ist leider nicht möglich“, sagte Karl, „sie ist noch im Druck. Die erste Ausgabe erscheint am Freitag nächster Woche. Wir sind heute als Werber unterwegs, damit wir die hohen Unkosten decken können.“
    „Hm“, machte der Wirt, „und was ist, wenn ihr nicht genug Käufer findet und eure Zeitung gar nicht erscheinen kann?“
    „Dann kriegen Sie selbstverständlich Ihr Geld zurück!“ rief Karl. „Ehrenwort!“
    „Na, schön“, sagte der Wirt. „Ich gebe euch fünf Mark, und ihr gebt mir eine Quittung mit Namen und Adresse. Geschäft ist Geschäft.“ Er nahm ein Fünfmarkstück aus der Kasse und schob es Karl zu.
    Karl bedankte sich und ging zu seinen Freunden an den Tisch zurück.
    „Guddel“, sagte er, „mach mal wieder ‘ne Quittung fertig!“
    Als sie kurz darauf die Gaststätte verließen, hatten sie ihre Zeche bezahlt und noch sechsundvierzig Pfennig übrig.
    „Karlchen“, sagte Egon anerkennend, „gestatte, daß ich innerlich den Hut vor dir ziehe, du bist mir über.“
    Gerade wollten sie ihre Räder besteigen, da kam der Wirt ihnen nach. „Moment, meine Herren!“ rief er. „Gehört das vielleicht einem von euch? Es lag unter eurem Tisch!“ Er hielt Karls Portemonnaie in der Hand.
    „O ja!“ rief Karl. „Das ist meins! Dankeschön!“
    Weil Egon dem Wirt am nächsten stand, nahm er es ihm ab und öffnete es, als der Mann wieder in die Gaststube gegangen war. Er blickte hinein und zählte das Geld.
    „Hier, Karl“ sagte er sodann grimmig. „Gestatte, daß ich meinen Hut innerlich wieder aufsetze: Du stehst noch weit unter mir!“
    „Was ist denn?“ fragte Guddel.
    „Er besitzt ganze 31 Pfennig“, erklärte Egon, „und wagt es, mir was von höherer Gewalt und abgehackten Händen vorzuquatschen!“
     

 
    Weil sie in Meyenburg nichts über gute Taten hatten erfahren können, wollten sie es einen Tag später in Lemwerder versuchen. Dazu mußten sie über die Weser fahren.
    Auf der Fähre sagte Guddel plötzlich: „Mensch, wir haben ja noch gar keinen Namen für unsere Zeitung! Den müssen wir uns schnell einfallen lassen, sonst könnten wir bei den Leuten ins Stottern kommen, und das macht einen schlechten Eindruck.“
    „Donnerwetter, ja!“ rief Karl. „Eine Zeitung ohne Namen ist wie ein Brot ohne Wurst.“
    „Oder ein Reporter ohne Bart“, sagte Egon. Karl überhörte das. Er kniff die Augen zusammen und dachte nach. „Wie wär’s, wenn wir unsere Zeitung ,Das Blatt der Freude’ nennen würden?“
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher