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Karl der Dicke beißt sich durch

Karl der Dicke beißt sich durch

Titel: Karl der Dicke beißt sich durch
Autoren: Werner Schrader
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Leute,
dann tippte sie sicher noch heute!“
    Guddel aber, der Dichter unter den dreien, schloß das gesamte Angebot in seine Verse ein.
    In Abständen von etwa zehn Minuten gab er seine Kunst zum besten: „Wer mag denn hier vorübergehn,
wo soviel schöne Dinge stehn?
Wo alles, was man schätzt und liebt,
ein frohes Stelldichein sich gibt?
Kommoden, Tische, Bilder, Truhen
und Sessel, um sich auszuruhen,
und neben echten Ledertaschen auch Wannen,
um sich mal zu waschen!
Wer gerne seine Hemden plättet
und seine krausen Hosen glättet,
dem rate ich, daß er sich hole,
ein Bügeleisen hier mit Kohle.
Das wird, ich schwör es, richtig heiß,
wenn man die rechten Kniffe weiß.
Und fällt mal eine Kohle raus,
hat man noch einen Brand frei Haus!
Auch Bücher, die den Geist entzücken
mit ihren Gold- und Silberrücken,
die bieten wir so billig an,
daß jeder sie erwerben kann.
Was denn, zur See gefahren biste?
Dann fehlt dir diese große Kiste.
Die fuhr schon achtmal um Kap Hoorn
und hat ein Eisenschloß hier vorn,
und deine sechs bis sieben Sachen
können sich’s drin gemütlich machen.
Wer Fliesen liebt an seinen Wänden,
der greife zu mit allen Händen,
aus Delft in Holland haben wir
grad eine neue Sendung hier.
Kommt, Leute, kommt, und kauft in Massen!
Was hier steht, darf man nicht stehenlassen!“
    Die lauthals herausgeschmetterten Verse der drei eifrigen Verkäufer verfehlten nicht ihre Wirkung auf die Vorübergehenden. Neugierig kamen sie näher an den Stand heran, betrachteten das Angebot und nahmen auch einiges prüfend und abschätzend in die Hand.
    Die Peitsche konnten die Jungen als erstes verkaufen. Der Bauer, der nur einige Meter entfernt von ihnen die Kutsche mit dem Pferd feilbot, bezahlte ihnen acht Mark dafür. Auch die Seemannstruhe wurden sie schnell los. Ein junger Mann wollte sie für zwanzig Mark als Werkzeugkiste erwerben. Aber Karl lachte ihn aus und verlangte achtzig. Schließlich einigte man sich zur vollen Zufriedenheit beider Seiten auf vierzig Mark. Ein junges Paar in Jeans und bunten Hemden, das Hand in Hand herangeschlendert kam, interessierte sich lebhaft für die Porzellandosen und Nippesfiguren auf der Kommode.
    „Was macht ihr uns für einen Preis, wenn wir den ganzen Plunder mitnehmen?“ fragte der Mann.
    „Den ganzen Plunder?“ rief Karl. „Meinen die verehrten Herrschaften etwa diese hochantiken alten Salz- und Pfefferdöschen mit echten handgemalten Buchstaben? Diese zierlichen Figuren aus äußerst zerbrechlichem Glas? Diese Zwerglein und süßen Kätzchen, die jedem Bücherschrank zur Zierde gereichen? Dann erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß sämtliche Museen des In- und Auslandes sich glücklich schätzen würden, ähnlich Wertvolles zu besitzen!“
    „Natürlich“, sagte der junge Mann, „denen will ich es ja verkaufen! Also was verlangt ihr dafür?“
    „Na, sagen wir mal...“, begann Karl.
    „Das ist zuviel!“ unterbrach der Mann. „Das können wir nicht anlegen, sonst verhungern ja unsere sieben Kinder zu Hause!“
    »Hm“, fuhr Karl fort, „das habe ich nicht bedacht, sorry.
    Gewähren wir Ihnen also einen Sonderpreis. Es sind insgesamt, warten Sie mal, zwölf Dosen und sieben, nein, neun dieser herrlichen Figuren! Hm, geben wir uns einen Ruck und verschleudern wir Ihnen die kostbaren Stücke für den lächerlichen Preis von dreißig Mark.“
    „Aber, aber!“ rief der Mann. „Wollt ihr uns an den Bettelstab bringen? Ich habe an fünf Mark gedacht.“
    „Man denkt manches, wenn der Tag lang ist“, sagte Karl. „Zehn Mark“, sagte der Mann, „wir bezahlen bar!“
    „Fünfundzwanzig, mein letztes Angebot!“
    „Fünfzehn!“
    „Zwanzig!“
    „Na, also gut. Steckt das Zeugs in eine Tüte, und gebt es her. Hier sind zwanzig Mark.“
    Karl nahm das Geld.
    „Brauchen Sie nicht auch noch die Kommode?“ fragte er. „Dann können wir die Sachen da reinstellen und sparen das Einwickelpapier.“
    „Oh ja!“ rief die junge Frau. „Die nehmen wir auch noch. Was soll sie denn kosten?“
    „Für hundert Mark geht sie weg.“
    „Oh, Junge“, sagte die Frau, „ist das nicht ein bißchen viel? Dafür krieg’ ich ja eine neue.“
    „Natürlich“, räumte Karl ein, „aber eine neue paßt bestimmt nicht in Ihren Haushalt, wenn ich Sie richtig einschätze.“
    Nach einigem Hin- und Hergerede traf man sich bei fünfunddreißig Mark.
    Das Paar trug die Kommode weg, und Egon nahm das Geld an sich.
    „Der erste Hunderter ist verdient“, sagte er.
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