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Karl der Dicke beißt sich durch

Karl der Dicke beißt sich durch

Titel: Karl der Dicke beißt sich durch
Autoren: Werner Schrader
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man eigentlich mehr Anteilnahme erwarten!“
    „Nun pluster dich man nur nicht so auf!“ wies Guddel ihn zurecht. „Ich bin genauso betroffen wie du, mein Lieber, wahrscheinlich noch tiefer. Aber ich habe außer den schrecklichen Meldungen, die wir eben gelesen haben, noch etwas anderes mitgekriegt, und das hat mir meinen Lebensmut zurückgegeben.“
    „Was das wohl sein kann!" rief Karl spöttisch. „Du glaubst wohl, das seien alles Lügengeschichten, was?“
    „O nein“, entgegnete Guddel, „an der Wahrheit der Meldungen zweifle ich nicht. Ich meine etwas anderes. Lies doch mal, wo die Morde, die Explosionen und die anderen fürchterlichen Ereignisse geschehen sind. Und dann sag mir, was dir dabei auffällt.“
    „Als ob das was ändern würde!“ murmelte Karl, beugte sich aber doch über die Zeitung. „Die 23 Frauen wurden in Santa Cruz, USA, umgebracht“, las er, „das Blutbad fand im Armenviertel von Pnom Penh statt, der Amoklauf war in Sidney, die Gasexplosion geschah in Rom, der Hauseinsturz in Kapstadt, der Tochtermord in Tokio. In Hamburg wurde der Junge von dem Bären zerrissen, in Moskau...“
    „Du kannst aufhören!“ unterbrach Guddel. „Es waren schon alle Erdteile dran.“
    Karl ließ die Zeitung sinken.
    „Na und?“ fragte er. „Ich versteh’ nicht?“
    Guddel lächelte nachsichtig.
    „Mensch, Karl“, erklärte er, „alles, was uns eben so aufgewühlt hat, was hier in diesem Käseblatt derartig eng nebeneinander und übereinander steht, daß man den Eindruck gewinnt, es habe sich in derselben Stadt oder aber in den Nachbargemeinden zugetragen, verteilt sich über die ganze Erde, auf über drei Milliarden Menschen! Es wurde von Panikmachern und Gruselfreunden gesammelt, aufgeputzt und uns armen Lesern als schauriger Leckerbissen serviert.“
    „Hm“, sagte Egon nachdenklich, „wenn man die Sache so betrachtet, sieht sie ganz anders aus. Neunundsechzig Tote auf fast vier Milliarden Menschen sind ja eigentlich nicht viel.“
    „Natürlich nicht!“ rief Guddel. „Auch wenn es noch ein paar mehr sein sollten, fällt diese winzige Zahl im Vergleich mit der großen der Erdbevölkerung überhaupt nicht ins Gewicht.“
    „Nun mach aber mal Pause!“ rief Karl dazwischen. „Mord bleibt Mord! Ob ein Mensch das Opfer war oder zwanzig, das ist völlig belanglos.“
    „Ganz meine Meinung“, sagte Guddel. „Aber man sollte nicht auf eine Weise über zehn oder zwanzig Morde berichten, daß der Leser glauben muß, hinter jeder Ecke und unter jedem Busch hocken die Mörder scharenweise! Damit ist doch niemandem gedient!“
    „Ich weiß nicht“, wandte Egon ein, „vielleicht doch! Sonst würden es die Zeitungen bestimmt nicht drucken. Die wählen aus dem großen Angebot von Meldungen und Nachrichten doch immer nur das aus, was die Leute lesen wollen. Wenn sie das nicht tun, verlieren sie ihre Kunden und machen Pleite. Guck dich doch nur um, überall gehen die Zeitungen ein! Ich glaube, sie sind einfach gezwungen, solche Schauermärchen zu drucken. Und ehrlich, es liest sich doch ganz schön, wenn irgendwo was Dolles passiert und man selber nicht davon betroffen ist. Das ist so ‘ne Art seelischer Stuhlgang. Man braucht selber keinen Mord mehr zu begehen, weil schon ein paar andere das für einen besorgt haben.“
    „Na, du hast vielleicht Nerven!“ rief Karl. „Ich fühl’ mich auch ganz wohl, wenn ich keinen umgebracht habe!“
    „Die Leute wollen so was aber nun mal lesen!“ beharrte Egon. „Die vielen Krimis im Fernsehen genügen ihnen nicht, sie wollen schon morgens beim Frühstück eine Gänsehaut auf dem Rücken spüren.“
    „Einige vielleicht“, räumte Guddel ein, „die meisten aber kriegen durch solche Geschichten nur noch mehr Angst. Das ist schlimm. Noch schlimmer aber ist es, daß viele dadurch auf die Idee gebracht werden, mal etwas Ähnliches zu versuchen. Nein, wenn es nach mir ginge, dürften die Zeitungen nichts über Greueltaten berichten oder aber nur ganz kurz und ohne große Schlagzeilen.“ Er nahm Karls Brennglas und schmorte ein Loch in die Zeitung und dann ein zweites und ein drittes. Erst als die Zeitung lichterloh brannte, gab er sich zufrieden.
    „Warum berichtet man nicht über angenehme Ereignisse?“ fragte er. „Über einen besonderen Glücksfall, eine gute Tat oder dergleichen? Davon gibt es doch bestimmt auch
    genug.“
    „Weil es kein Aas interessiert!“ rief Egon. „Opa gewann sieben Mark fünfzig beim Kegeln! Wer will das schon
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