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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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vollkommen im Zeitplan.
Die Telefonnummer, die er in sein Handy tippte, hatte er auswendig gelernt. Er würde
die extra gekaufte Prepaid-Karte nach dem Anruf sofort wegwerfen.
    »Vater«, sagte er, als die Verbindung
stand, obwohl der Alte auch diese Bezeichnung überhaupt nicht mochte. »Vater, der
Auftrag ist ohne besondere Vorkommnisse erledigt worden.«
    Er suchte sich eine freie Bank auf
dem Bahnsteig und wartete geduldig auf den Regionalexpress, der ihn nach Aachen
zurückbringen würde.

2.
     
    »Ruhe bitte! Ich möchte beginnen!« Doch trotz seiner durchdringenden
Bassstimme gelang es dem Oberbürgermeister nicht, den Lärm im Sitzungssaal auf eine
erträgliche Phonzahl herunterzudrücken. Die aufgeheizte Stimmung nicht nur unter
den Kommunalpolitikern der verschiedenen Ratsfraktionen, sondern auch unter den
zahlreichen Zuhörern, ließ einen ordnungsgemäßen Verlauf der Sitzung nicht zu. Viele
der erzürnten Besucher machten deutlich, warum sie an diesem späten Mittwochnachmittag
in den großen Sitzungssaal im Spanischen Bau des Kölner Rathauses gekommen waren.
Die Plakate, die sie in die Höhe reckten, waren eindeutig: ›Keine Riesenmoschee
am Rhein!‹ –›Der Dom ist uns heilig!‹ –›Wer is’ ne echte Kölsche?‹ – ›Wer ist für
Kölle?‹ stand auf den handgeschriebenen Schildern, die unübersehbar über den Köpfen
der Demonstranten prangten. Die fotografierende Journaille wurde nicht müde, die
Motive abzulichten.
    Die Verweise auf den ›echten Kölsche‹
und ›für Kölle‹ waren eindeutig auf den Oberbürgermeister gemünzt. Werner Müller
hatte mit seinem Wahlspruch: ›Echte Kölsche für Kölle‹ bei der letzten Bürgermeisterwahl
als unabhängiger Kandidat die beiden Bewerber der großen Parteien aus dem Rennen
geworfen. Ihm war das neue Wahlrecht gerade zupassgekommen, das denjenigen zum Sieger
erklärte, der die meisten Stimmen erhielt, auch wenn er nicht die absolute Mehrheit
für sich verbuchen konnte. Und Sieger war Werner Müller geworden. 32 Prozent hatten
ihm gereicht.
    Nun glaubten anscheinend die Demonstranten,
von ihm ihre Rechte einfordern zu können, nämlich, den möglichen Bau einer weiteren
Moschee in Köln zu verhindern. Dabei war nicht einmal sicher, ob es diesen Bau überhaupt
geben würde. Es war ein Gerücht, das urplötzlich durch Köln schwirrte: Eine Riesenmoschee
sollte gebaut werden. Direkt am Rhein! Vertreter türkischer Organisationen hatten
zwar unverzüglich entsprechende Pläne dementiert, aber man wollte ihnen keinen Glauben
schenken. Nach einigen krawallartigen Auseinandersetzungen in den letzten Monaten
war die Stimmung am Rhein nicht gerade wohlwollend gegenüber den türkischen und
türkischstämmigen Mitbürgern.
    Müllers Blick fiel auf ein weiteres
Plakat. ›Ja zum Antrag der KGB‹ forderte ein Pimpf, der es mit ausgestreckten Armen
über seinem Kopf hielt. Es machte den Oberbürgermeister ärgerlich, dass die Demonstranten
Kinder für ihre Zwecke einspannten. Der Junge wusste wahrscheinlich nicht einmal,
wer diese KGB war.
    Früher, vor seiner Wahl zum OB,
war Müller einmal eine Nähe zur KBG, der ›Kölner Gemeinschaft aller Bürger‹ nachgesagt
worden; ein Grund mehr, weshalb die aufgebrachten Sitzungsbesucher seinen Einsatz
für ihre Belange verlangten.
    Es konnte durchaus sein, dass bei
der Fraktionsvielfalt im 90-köpfigen Stadtrat und den vielen unterschiedlichen politischen
Interessen der Parteien und Wahlvereinigungen seine Stimme letztendlich den Ausschlag
gab, ob dem KGB-Antrag stattgegeben würde. Rückendeckung von einzelnen Fraktionen
konnte er nicht erwarten; er war keiner der ihren; und wenn er sich bei einer Entscheidung
auf die Seite der CDU schlug, konnte er damit rechnen, dass die SPD allein deshalb
gegen ihn stimmte. Und auch den umgekehrten Fall hatte es in den letzten Monaten
gegeben.
    Die KGB hatte
beantragt, der Stadtrat möge sich definitiv gegen den Bau weiterer islamischer Bauten
und besonders gegen den Bau von Moscheen und Gemeindehäusern aussprechen. Die kleine
Gruppierung, ein eingetragener Verein und keinesfalls eine Partei, wie sie der Öffentlichkeit
glauben machen wollte, setzte voll auf Stimmungsmache. Sie nannte ihr Handeln zwar
Sachpolitik für Köln, aber tatsächlich war es reiner Populismus, den die KBG praktizierte,
zumindest dieser Gerd-Wolfgang Kardinal, der zugleich Vorsitzender der vierköpfigen
Ratsfraktion war.
     
    »Ruhe bitte!« Erneut dröhnte Müllers Bass durch den großen
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