Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
sehen
     mußte wie die Fliegen?
    Wie wunderbar war ich ins Leben zurückgekehrt, in Annehmlichkeiten und Wonnen, und bald, so hoffte ich wenigstens, würde mich
     wie Odysseus eine wohlmeinende Circe erobern. Beim Himmel, dachte ich, wie schlau und gewieft diese Schöne ist! Wie geschickt
     sie ihr Spiel führt, Schritt für Schritt überlegt und bis ins letzte durchdenkt, wie wenn man einem Schneider einen Stoff
     anbietet und der ihn lange prüft, knittert, befühlt und betastet, ehe er sich zum Kauf entschließt! Und mit welcher List sie
     den Handel geschlossen hat, der ihr ja große Vorteile bringt, bekommt sie zum einen doch, ohne ihren Beutel zu lüpfen, einen
     starken Schutz ins Haus und zum anderen, indem sie ihn nur ein wenig lüpft, einen dienstbaren, gehorsamen Ritter, den sie
     zum Tröster ihrer Einsamkeit berufen kann oder nicht.
    Wahrhaftig, bei unseren Unterredungen hatte die Dame nicht mit süßen Blicken und schmachtenden Mienen gespart, was für die
     Zukunft aber noch nichts bedeuten mußte. Trotzdem, die Frau war aus so ehernem Stoff geschaffen, daß ich mir ziemlich sicher
     sein durfte, ihr Entschluß stehe bereits fest. Und ebenso gewiß durfte ich mir sein, daß sie Tag, Stunde und Gelegenheit,
     da sie ihn mich wissen ließe, selbst zu bestimmen gedachte. Wirklich, ich konnte nur bewundern, wie zielstrebig sie ihre Sache
     betrieben hatte. Ein paar Tage darauf sollte ich indes feststellen, daß sie noch viel zielstrebiger war, als ich geglaubt
     hatte, denn mit einer wundersamen Feinfühligkeit und ohne meine Interessen im mindesten zu verletzen, gewann sie mir Vorteile
     ab, die ich nie für möglich gehalten hätte.
    |26| Am folgenden Tag verließ ich im Morgengrauen Schloß Brézolles, weil ich wußte, daß Ludwig alle Tage frühzeitig aufbrach, unsere
     Stellungen um La Rochelle zu inspizieren. Wenn ich ihn antreffen wollte, mußte ich also zur Stelle sein, wenn er dem Bett
     entstieg.
    Ich nahm nur Nicolas mit, um Madame de Brézolles nicht der Schweizer zu berauben, aber auch, weil die Wege im Heerlager von
     Karren und Soldaten derart verstopft waren, daß zwei Reiter leichter durch diesen Wirrwarr fanden als eine dreizehnköpfige
     Truppe.
    Hier will ich ein Wort über meinen Junker, Nicolas de Clérac, einflechten. Ich war mit ihm so zufrieden, wie ich es mit meinem
     armen La Barge nie gewesen war, der mich mit seinem endlosen Geschwätz und seinem ewigen Ungehorsam oft zur Verzweiflung gebracht
     hatte. Aus diesem Grund hatte ich Nicolas, als er in meine Dienste trat, als erstes das strikte Gebot auferlegt, den Schnabel
     zu halten und vor allem keine Fragen zu stellen. Als ich jedoch feststellte, daß mein neuer Junker im Gegensatz zu La Barge
     unbedingt verschwiegen war, wenig redete, aber viel dachte und mir als guter Beobachter von Menschen und Umständen wertvolle
     Dienste erweisen konnte, die weit über sein Alter und seine Anstellung hinausgingen, beschloß ich, ihm die Zügel ein wenig
     zu lockern. Und so wurde er mir nach und nach, was La Surie meinem Vater bei seinen gefahrvollen Missionen gewesen war, nicht
     nur ein Freund, sondern manchmal sogar ein Ratgeber.
    Sowie Ludwig mich bei seinem Lever erblickte, winkte er mir näherzutreten, und als ich vor ihm ins Knie fiel, reichte er mir
     seine Hand zum Kuß, eine große Gunstbezeigung, denn seine Hand gab er nicht jedem.
    »Sioac«
, sagte er, indem er das r meines Namens ausließ, wie er es als Kind getan hatte (ein weiteres großes Zeichen seiner königlichen
     Gunst, das mich sehr rührte), »ich habe nur Gutes gehört über deine Schweizer und dich in den Kämpfen auf Ré und während der
     Belagerung der Zitadelle. Monsieur de Toiras geizt nicht mit seinem Lob, sowohl für deinen Mut in der Schlacht von Sablanceaux
     wie für deine geschickten Verhandlungen mit Bouquingan 1 , aber auch dafür, wie du ihn, |27| Toiras, in den schwierigsten Momenten der Belagerung unterstützt hast. Um dich für deine Ausgaben bei dieser Expedition zu
     entschädigen, soll der Oberintendant dir fünfundzwanzigtausend Ecus auszahlen. Damit aber nicht genug. Ich bin mit dir so
     zufrieden, daß ich dir binnen kurzem Folgenreiches mitteilen werde.«
    Die Menge der Höflinge, die sich beim Lever des Königs drängte, verhielt sich gemeinhin still aus Respekt vor dem Thron, was
     jedoch nicht immer gelang, diesmal aber ganz und gar nicht, so überrascht war man durch das, was der König soeben öffentlich
     verkündet hatte. Ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher