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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle
Autoren: R Merle
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Gemurmel stieg über den gebeugten Nacken auf, dem der Gardehauptmann Du Hallier mit einem väterlich mahnenden
     »Aber, meine Herren!« Einhalt gebot.
    Hierauf entließ mich Ludwig, und meine Füße berührten den Boden nicht, als ich den Saal verließ. Kurze Zeit später jedoch
     befiel mich eine gewisse Trübnis, die Nicolas wohl bemerkte. Zunächst rührte er daran mit keiner Silbe, denn er gehörte zu
     denen, die ihre Zunge siebenmal umdrehen, bevor sie den Mund aufmachen.
    Schon im Begriff, das Haus des Königs zu verlassen, nahm ich Du Hallier beiseite und fragte ihn, wo Monsieur de Toiras zu
     finden sei.
    »An der Pointe de Coureille«, sagte er.
    »Ist das weit?«
    »Zwei Meilen von hier. Aber Ihr braucht einen Passierschein, weil Ihr durch das Feldlager müßt, und der Teufel weiß, wie scharf
     es bewacht ist. Offizier!« brüllte er.
    Sein Gebrüll war rein militärisches Gehabe, denn der Polizeioffizier stand ganz wachsam keinen Klafter von ihm entfernt.
    »Fertige mir augenblicklich, augenblicklich!« brüllte Du Hallier erneut, als ob der Mann sich geweigert hätte, »einen Passierschein
     für diese Herren aus, den Grafen von Orbieu und …«
    Damit warf er einen Blick auf Nicolas – was er bisher nicht für nötig befunden hatte, denn ein Junker war für ihn nicht mehr
     als ein Pferd.
    »Hol mich der Teufel«, rief er, aber diesmal ohne sich aufzublasen, so daß sein Ausruf im Vergleich zu seinem Donnerton wie
     ein Raunen klang, »hol mich der Teufel, wenn das nicht der kleine Rotzlöffel von Nicolas de Clérac ist!«
    |28| Dieses »Rotzlöffel« hatte im Mund des Hauptmanns aber nichts Herabwürdigendes, es war vielmehr ein Ausdruck seiner Zuneigung.
     Vielleicht entsinnt sich der Leser, wie er den älteren Bruder von Nicolas einmal »einen kleinen Scheißleutnant« genannt hatte.
     Allerdings hätte sich diese Benennung, wäre sie auch noch so liebevoll gemeint gewesen, für Monsieur de Clérac nicht mehr
     geschickt, seit er Hauptmann der Königlichen Musketiere geworden war. Jedenfalls warf sich Du Hallier auf Nicolas, schloß
     ihn in seine gewaltigen Arme, schmatzte ihn wer weiß wie oft ab und klopfte ihm auf den Rücken, daß meinem Nicolas noch anderntags
     Wangen und Rücken brannten.
    »Na, wie steht’s, Kinder«, fragte uns Du Hallier, »habt ihr ein gutes Dach gefunden in diesem riesigen Scheißhaus von Feldlager?«
    »Doch, einigermaßen«, entgegnete ich wortkarg, denn ich wollte ihm keine Gelegenheit geben, im ganzen Heer seine Späße über
     mein schmuckes Schloß und die Schöne, die es bewohnte, herumzuposaunen. Was er übrigens ohne böse Hintergedanken getan hätte,
     denn dieses Großmaul war, wie meine liebe Mariette gesagt hätte, ein »Milchlamm von einem Kerl«.
    »Herr Hauptmann«, sagte der Polizeioffizier, indem er einen Klafter Abstand wahrte, »hier sind die beiden Passierscheine.«
    »Schlagschwerenot!« brüllte Du Hallier, »warum zwei? Einer reichte doch.«
    »Mit Verlaub, Herr Hauptmann«, sagte der Offizier und errötete wie eine Jungfer, »wenn einer der Herren sich im Gewühl verirrt,
     steht er ohne Passierschein da und wird sofort verhaftet.«
    Du Hallier betrachtete den Offizier, schwankend zwischen Zorn und Schmunzeln, dann obsiegte das Schmunzeln, und er nickte
     weise mit dem Kopf.
    »Gar nicht dumm«, sagte er. »Na ja, wenn du das wärst, wärst du nicht mein Offizier.«
    Tatsächlich, Du Hallier hatte Recht gehabt, uns mit Passierscheinen zu versorgen, denn auf der langen Strecke von Aytré nach
     Coureille (an der Südspitze der Bucht von La Rochelle gelegen) wurden sie uns fünfmal abverlangt – genauso oft, wie ich nach
     dem Weg fragte.
    Schöne Leserin, nun stellen Sie sich unser Heerlager um La |29| Rochelle nicht etwa so vor, daß es gleich an den Stadtmauern geklebt hätte. Bei weitem nicht: Es hielt sich in gebührender
     Entfernung, um außer Reichweite der Rochelaiser Kanonen zu sein. Und das hatte zur Folge, daß unsere Umzingelung, die vom
     Kliff von Coureille im Süden bis zum nördlichen Kliff von Chef de Baie reichte, drei Meilen 1 Länge maß.
    Eine weitere Folge davon war, daß die Rochelaiser in dem freien Raum zwischen unseren Verschanzungen und ihren Mauern ebenfalls
     Schanzen gegraben hatten, und sei es nur, damit wir nicht über Nacht unsere Kanonen näher heranrückten, um ihre Stadt zu bombardieren.
    Zwischen den Rochelaiser Gräben und den königlichen erstreckten sich sumpfige Brachen, und als in La Rochelle die
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