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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle
Autoren: R Merle
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kennenlernten.«
    »Monsieur de Brézolles, müßt Ihr wissen, war im letzten Kampf in die Hinterbacke getroffen worden. Er wurde verbunden und
     schnellstens hierher transportiert«, erzählte sie. »Seine Wunde erschien uns aber harmlos und leicht heilbar, vor allem, als
     er noch am Abend seiner Ankunft unbedingt mein Lager beehren wollte, so daß das ganze Gesinde staunte.«
    »Wie erfuhr das Gesinde denn das?«
    »Nun ja«, sagte sie, indem sie die Augen niederschlug, »Monsieur de Brézolles betrug sich in solchen Momenten etwas sehr geräuschvoll.
     Offenbar war es aber höchst unklug von ihm, sich so heftige Bewegung zuzumuten. Seine Wunde brach auf, das Blut floß in Strömen,
     und alle Versuche, es zu stillen, schlugen fehl. Der Arzt war mit seinem Latein am Ende.«
    Zum Teufel mit seinem Latein! dachte ich. Mein Vater hätte an seiner Stelle kein Latein gebraucht, sondern einen guten Knebel,
     der, richtig gesetzt, das Blut zum Stillstand gebracht hätte.
    »So ist er denn gestorben«, sagte Madame de Brézolles, und je eine dicke Träne rollte über ihre Wangen.
    Aber nur eine, und nachdem das Naß mit einem Spitzentuch, das sie aus dem Ärmel zog, getrocknet war, erhob sie sich entschlossen.
    »Monsieur«, sagte sie, »Eure Schweizer schmachten an meiner Freitreppe. Erlösen wir sie!«
    Die ganze Zeit, während wir Seite an Seite von dem kleinen Salon zur Freitreppe hinausgingen, blieb die Marquise verschlossen
     und stumm. Wenn du erlaubst, Leser, nütze ich die Pause, dir die Dame zu beschreiben.
    Sie war nicht eben hoch gewachsen, aber das fiel nicht auf, denn sie hatte keine kurzen Beine, im Gegenteil. Und weil ihre
     Taille schmal war und ihr Hals lang, gab ihr das Zusammenspiel eine schlanke und elegante Erscheinung. Dabei war sie nicht
     etwa mager. Ihr Ausschnitt entblößte keine Salzfässer, und ihr Busen war rund. Die hohen Absätze machten sie größer, ebenso
     ein Haaraufbau aus drallen braunen Löckchen, der über ihrem Gesicht aufragte wie eine große Aureole. Ihre Augen waren goldbraun,
     lebhaft und klug, die Nase leicht gebogen, |20| die etwas vollen Lippen fein gezeichnet, die Zähne klein und weiß, und ihr Lächeln ging einem geradewegs ins Herz, so zärtlich
     und fröhlich war es. Ihre Gesichtsform aber, weniger ein Oval, denn zum Rechteck neigend, ihre klare Kinnlinie und ihr entschiedener
     Gang bezeugten, daß ihre weibliche Süße sich mit einem weder schwachen noch schwankenden Willen paarte. Diese Schöne, das
     hätte ich schwören können, blieb in jeder Situation mit beiden Beinen auf der Erde, ließ sich von niemandem etwas vormachen
     und wußte ihre Interessen zu wahren. Wovon übrigens die prüfende Vorsicht zeugte, mit der sie meinem Ersuchen begegnet war,
     ohne daß ihr angenehmes Gespräch darunter gelitten hatte.
    Hörner und seine Schweizer bildeten eine tadellose Reihe vor der Freitreppe, die Pferde mit den Köpfen uns zugewandt und die
     Männer so unbeweglich, wie es ihre Tiere erlaubten. Als Hörner Madame de Brézolles mit dem Degen grüßte, zogen seine Männer
     alle gleichzeitig die Hüte und setzten sie im selben Moment wieder auf, da Hörner seine Klinge einsteckte.
    Dies war die übliche Zeremonie, mit der Hörner mir seine Leute morgens gewappnet und aufgesessen präsentierte, ich wußte ihm
     aber Dank, daß er sie für unsere Gastgeberin vollführen ließ, denn der Zweck, sie zu beeindrucken, wurde erfüllt.
    Madame de Brézolles erwiderte den Gruß mit freundlichem Kopfneigen, und ich sah, daß ihr Blick wohlgefällig auf meinen stattlichen
     Schweizern ruhte. Trotzdem bewahrte sie einen klaren Kopf, und die Fragen, die sie mir, wieder im Salon, stellte, bewiesen
     ihren Scharfsinn.
    »Graf«, sagte sie, »wie ich sah, tragen Eure Schweizer nur einen Degen am Gürtel. Genügt das?«
    »Nein, nein, Madame, es hat auch jeder zwei Pistolen, die Ihr nur nicht sehen konntet, weil sie in den Satteltaschen steckten.
     Dazu hat noch jeder zwei Musketen.«
    »Warum zwei?«
    »Falls eine ausfällt, Madame. Es kann aber auch Positionen geben, in denen man beide lädt, um die anfängliche Feuerkraft zu
     erhöhen.«
    »Wieso die anfängliche?«
    »Weil jeder im Fortgang des Kampfes genug damit zu tun hat, eine einzige Waffe nachzuladen. Man kann es aber auch |21| so halten, daß jeweils ein Truppenteil lädt und der andere schießt, so daß man ziemlich ununterbrochen feuern kann.«
    »Die Musketen habe ich nicht gesehen.«
    »Sie liegen auf dem Karren, den
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