Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition)
Autoren: John Lanchaster
Vom Netzwerk:
Schulferien der Westminster Under School ab, auf die Conrad ging und die geradezu fanatisch darauf achtete, dass man sein Kind nur während der offiziellen Ferien aus der Schule nahm, ein wenig zu fanatisch, wie Roger fand, da die Kinder, um die es sich handelte, gerade mal fünf Jahre alt waren, aber dafür zahlte man eben 20000 £ Schulgeld im Jahr.
    Auch andere Kosten summierten sich, wenn man einmal anfing, darüber nachzudenken. Pilar, das Kindermädchen, kostete 20000 £ im Jahr netto – oder eher 35000 £ brutto, wenn man die ganze verdammte Lohnsteuer dazuzählte. Sheila, das Wochenend-Kindermädchen, bekam weitere 200 £ pro Wochenende, was sich auf ungefähr 9000 £ summierte (obwohl sie sie in bar bezahlten und in den Ferien gar nicht – es sei denn, sie kam mit, was recht oft der Fall war, oder die Agentur vermittelte ihnen jemand anderen). Arabellas BMW M3 »fürs Einkaufen« hatte 55000 £ gekostet, und der Lexus S400, das Familienauto, das eigentlich nur vom Kindermädchen benutzt wurde, um die Kinder zur Schule oder zu Spielnachmittagen zu fahren, 75000 £. Roger hatte darüber hinaus noch einen Mercedes E500, den ihm sein Büro zur Verfügung gestellt hatte und für den er nur die Kraftfahrzeugsteuerbezahlte, die sich auf ungefähr 10000 £ im Jahr belief. Er benutzte das Auto jedoch so gut wie nie, weil er es demonstrativ vorzog, mit der U-Bahn zu fahren. Das war einigermaßen erträglich; er musste das Haus um Viertel vor sieben verlassen und kam um acht Uhr abends wieder heim. Weitere Posten waren 2000 £ im Monat für Kleidung, ungefähr dieselbe Summe für die anfallenden Betriebskosten (auf beide Häuser aufgeteilt), eine Steuernachzahlung von ungefähr 250000 £ vom letzten Jahr, Rentenbeiträge »in mindestens sechsstelliger Höhe« – wie sich sein Steuerberater ausgedrückt hatte –, 10000 £ für ihre alljährliche Sommerparty und dann die unglaublich hohen Summen, die das Leben in London kostete – Restaurants, Schuhe, Parkgebühren, Kinokarten, Gärtner. Man hatte das Gefühl, dass das Geld jedes Mal, wenn man irgendwo hinging oder irgendetwas tat, nur so aus einem herausschmolz. Das alles machte Roger nichts aus, er war durchaus bereit, das Spiel mitzuspielen. Es bedeutete jedoch, dass er, wenn er dieses Jahr nicht einen Bonus von einer Million Pfund bekam, durchaus in Gefahr geriet, bankrott zu gehen.

3
    Es war später Nachmittag. Roger saß auf einem der Sofas in seinem Büro, gegenüber hatte auf der einen Seite der Mann Platz genommen, der ihm mehr als jeder andere dabei helfen konnte, seinen Millionenbonus zu verdienen, und auf der anderen Seite der Mann, dem definitiv die wichtigste Rolle bei der Entscheidung zufiel, ob er ihn tatsächlich bekam.
    Ersterer war sein Stellvertreter Mark. Er war noch nicht ganz dreißig, mehr als zehn Jahre jünger als Roger und hatte von all der Arbeit in Innenräumen und vor Computerbildschirmen eine ganz blasse Gesichtsfarbe. Mark hatte die Angewohnheit, sich ununterbrochen zu bewegen, aber so, dass man es fast nicht mitbekam. Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, fasste an seine Armbanduhr, prüfte den Inhalt seiner Hosentaschen oder machte kleine Zuckungen mit seinen Gesichtsmuskeln, als wollte er den Sitz seiner Brille korrigieren. Das Ganze hatte eine ähnliche Wirkung wie die Angewohnheit mancher Leute, in Gesprächen andauernd den Vornamen der Person zu benutzen, mit der sie sich gerade unterhielten. Man konnte das jahrelang mitmachen, ohne dass es einem auffiel, aber wenn man es einmal gemerkt hatte, war es fast unmöglich, sich davon nicht ablenken zu lassen – genauer gesagt war es fast unmöglich, nicht das Gefühl zu bekommen, dass dieses Verhalten einzig und allein darauf abzielte, einen in den Wahnsinn zu treiben. Genau das war es, was Marks ewige Zappelei in Roger auslöste. Im Moment spielte er gerade mit seinem Montblanc-Kugelschreiber herum.
    In vieler Hinsicht war Mark der perfekte Stellvertreter. Er arbeitete hart, machte nie einen Fehler, war nicht allzu offensichtlich an Rogers Job interessiert, und wenn man mal von seinem ununterbrochenen Herumgezappel absah, schien er nie aus der Fassung zugeraten. Manchmal entstand der vage Eindruck, dass er die Dinge ein bisschen zu fest unter Kontrolle hatte, und er war die Art Mensch, bei der man ein heimliches Laster vermutete. Hätte er sich als pädophil oder als Bondage-Freak herausgestellt, oder wäre unter seinen Bodendielen eine zerstückelte Leiche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher