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Kaperfahrt

Kaperfahrt

Titel: Kaperfahrt
Autoren: Clive Cussler
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Mauern der Festung vom wabernden Schein des brennenden Schiffes beleuchtet.
    Henry lenkte das Beiboot wieder zum Schiff und dirigierte es unter die Davits.
    »Gut gemacht, mein Freund.« Decatur lächelte, wobei sein Gesicht mindestens genauso hell leuchtete wie der feuerrote Himmel hinter ihnen.
    Zu erschöpft, um etwas anderes zu tun, als mühsam nach Luft zu ringen, salutierte Henry schwach.
    Alle Augen wandten sich plötzlich dem Hafen zu, als sich die lodernden Säulen, in die sich die Masten der Philadelphia verwandelt hatten, langsam neigten und in einem dichten Funkenregen über die Backbordseite ins Meer stürzten. Und dann, als sollte es ein letzter Gruß sein, gingen ihre Kanonen los und feuerten einige Kugeln teils ins Wasser und teils in die Festungsmauer.
    Die Männer brüllten vor Begeisterung über diesen letzten heftigen Schlag gegen die Piraten.
    »Was jetzt, Captain?«, fragte Lafayette.
    Decatur blickte aufs Meer hinaus und sah Henry gar nicht an, während er die Frage beantwortete. »Diese Sache hier ist noch nicht zu Ende. Ich habe eins der Korsarenschiffe im Hafen wiedererkannt. Es war das von Suleiman Al-Jama. Es trägt den Namen Saqr, was so viel wie Falke heißt. Sie können Ihren letzten Penny darauf setzen, dass er bereits in diesem Augenblick die Segel setzen lässt, um uns zu verfolgen. Der Pascha wird sich wegen unseres Unternehmens nicht an den gefangenen Seeleuten rächen – sie sind viel zu wertvoll für ihn. Aber Al-Jama will nichts als Rache.«
    »Er war doch früher ein Geistlicher, nicht wahr?«
    »Bis vor ein paar Jahren«, bestätigte Decatur. »Er war das, was die Muslime einen Imam nennen. Das ist so eine Art Priester. Sein Hass auf das Christentum war so groß, dass er entschied, Beten sei nicht genug. Und so erklärte er jedem Schiff, das nicht unter muslimischer Flagge segelt, den Krieg.«
    »Ich habe gehört, dass er grundsätzlich keine Gefangenen macht.«
    »Ich habe das Gleiche gehört. Der Pascha ist darüber gewiss nicht sehr glücklich, weil Gefangene freigekauft werden können, aber er hat auf Al-Jama nur wenig Einfluss. Der Pascha hat sich auf ein Geschäft mit dem Teufel eingelassen, als er Al-Jama gestattete, gelegentlich von Tripolis aus zu operieren. Ich habe auch gehört, dass er sich kaum vor Freiwilligen retten kann, wenn er auf Kaperfahrt geht. Seine Männer sind ihm so treu ergeben, dass sie jederzeit für ihn sterben würden.
    Der gewöhnliche Berberpirat betrachtet das, was er tut, als eine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dieser Tätigkeit gehen sie schon seit Jahrhunderten nach. Sie haben heute Nacht gesehen, wie die meisten von ihnen von der Philadelphia flüchteten, sobald wir das Schiff geentert haben. Sie wollten ihr Leben auf keinen Fall in einem Kampf verlieren, den sie nicht gewinnen konnten.
    Al-Jamas Anhänger allerdings sind aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Dies ist für sie eine heilige Berufung. Sie haben sogar ein Wort dafür: Dschihad. Sie kämpfen bis zum Tod, wenn dies bedeutet, dass sie dabei einen einzigen Ungläubigen ins Jenseits mitnehmen können.«
    Henry dachte an den großen Piraten, der ihn unerbittlich verfolgt und den Kampf fortgesetzt hatte, nachdem er von einer Kugel getroffen worden war. Er fragte sich, ob er wohl einer von Al-Tamas Anhängern gewesen war. Er hatte dem Mann nicht in die Augen sehen können, aber bei dem Piraten hatte er den Wahnsinn eines Rasenden verspürt, als wäre ihm das Töten eines Amerikaners wichtiger als zu verhindern, dass die Philadelphia in Brand gesetzt wurde.
    »Warum glauben Sie, dass sie uns hassen?«, fragte er.
    Decatur musterte ihn eindringlich. »Lieutenant Lafayette, ich habe in meinem ganzen Leben noch keine belanglosere Frage gehört.« Er holte tief Luft. »Aber ich will Ihnen sagen, was ich denke. Sie hassen uns, weil es uns gibt. Sie hassen uns, weil wir anders sind als sie. Und dann, und dies ist wohl der wichtigste Grund, hassen sie uns auch, einfach weil sie glauben, das Recht zu haben, uns zu hassen.«
    Henry schwieg eine Zeit lang und versuchte, Decaturs Antwort zu verstehen, aber ein solcher Glaubensansatz war ihm so fremd, dass er ihn nicht begreifen konnte. Er hatte zwar in dieser Nacht einen Mann getötet, und doch hatte er ihn keineswegs gehasst. Er hatte lediglich getan, was man ihm befohlen hatte. Basta. Es war nichts Persönliches gewesen, und er vermochte auch nicht zu verstehen, wie jemand es anders empfinden konnte.
    »Wie lauten Ihre
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