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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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man stehend einnicken möchte.
    Kandide. Verzeihung, gnädiger Herr, finden sie viel Vergnügen daran, den
Horaz
zu lesen?
    Pococurante. Er hat Maximen, die ein Mann von Welt benutzen kann und die wegen ihrer angenehmen, lebhaften Einkleidung sich dem Gedächtnisse um so leichter einprägen. Allein seine Reise nach Brindisi und seine Beschreibung eines Mittagsbrots, das zusammengesudelt worden, sein Zankdialog im Karnschiebertone zwischen Gott weiß was für einem Rupilius, dessen Worte, wie er sagt, von Eiter troffen, und einem andern, dessen Worte nach echt italienischem Weinessig schmeckten, das alles ist mir höchst kahl und schal. Mit äußerstem Widerwillen hab' ich die Grobheiten gelesen, die er den alten Weibern und Hexen in den Bart wirft, ich seh' auch gar nicht ein, was das für ein großer oder kühner Gedanke ist, wenn er zu seinem Freunde Mäcen sagt: Wenn Du mich unter die lyrischen Dichter rechnest, werd' ich mit erhabnem Nacken an die Sterne stoßen.
    Aber so geht's; an einem beliebten Autor staunen die Blödhämmel alles als göttlich an. Ich lese bloß für mich, und was nicht in meinen Kram dient, steht mir auch nicht an.
    Kandide, der von der Amm' an zu nichts weiter gewöhnt war als zum Nachbeten, erstaunte höchlich über alles das, was er hörte, Martin aber fand Pococurantes Urteile gar nicht uneben.
    Ha! ein
Cicero
, rief Kandide. Den großen Mann werden Sie gewiß nicht müde zu lesen? Wahrlich nicht! antwortete der Venediger, denn ich les' ihn nie. Was schiert's mich, ob er dem Rabirius oder Cluentius den Prozeß geführt hat. Ich habe so Prozesse die Menge abzuurteln. Seine philosophischen Schriften wären noch eher mein Kasus gewesen; wie ich aber sähe, daß er alles bezweifelte, so schloß ich, daß ich grade so viel wüßte wie er, und daß ich niemandes Hilfe bedürfte, um unwissend zu sein.
    Oh! da sind vierundzwanzig Bände vermischte Schriften von einer Akademie der Wissenschaften, schrie Martin. Darunter könnte wohl was Guts sein! Und wäre auch, sagte Pococurante, wenn nur ein einziger von all' den Schmierern die Kunst erfunden hätte, Nähnadeln zu machen, so aber enthält der ganzeBraß nichts als Systeme, lauter Luftgut und nicht ein Spierchen Brauchbares.
    Was für eine Menge Schauspiele seh' ich dort, rief Kandide, italienische, spanische, teutsche, französische! Jawohl! sagte der Senator, es sind über dreitausend Stück, und der guten nicht drei Dutzend. Daß ich diese Sammlungen Predigten, die insgesamt nicht zwei Seiten von
Addison
aufwiegen, und alle jene dicken Folianten von Kirchenvätern und allen möglichen Theologastern nie aufgemacht habe, so wenig wie sonst jemand, das werden Sie mir wohl unversichert glauben.
    Martin ward einen Schrank gewahr, worin lauter englische Bücher standen: Ich glaube, es muß Wonne für einen Republikaner sein, die meisten dieser Werke zu lesen, die den Geist der Freiheit so stark atmen. Freilich ist's schön, hinschreiben zu dürfen was man denkt, sagte Pococurante, das ist das Vorrecht des Menschen. Allein in unserm ganzen Italien schreibt man bloß, was man nicht denkt; die jetzigen Bewohner der Gegenden, wo die
Cäsars
herrschten und die Antone, dürfen sich nicht unterstehn, einen Gedanken zu haben, wenn's ein Dominikaner nicht erlaubt. Wie gesagt, ich wäre sehr mit der Freiheit zufrieden, die den genievollen Briten begeistert, wenn nicht Leidenschaft und Parteigeist alles verdürben, was diese köstliche Freiheit Schätzbares hat.
    Kandide ward einen
Milton
gewahr und fragte, ob er nicht diesen Dichter für einen großen Mann hielte? „Ich, den Barbaren, der über das erste Kapitel des ersten Buchs Mose in zehn Büchern rauher Verse einen weitschweifigen Kommentar gemacht hat? Den plumpen Nachäffer der Griechen, der die Schöpfungsgeschichte ganz verhunzt hat, der, indem Moses den Allmächtigen schildert, wie er durch ein
Werde
die Welt hervorwinkt, seinen Messias einen großen Kompaß aus einem Wandschranke des Himmels hervorholen läßt, um einen Riß seines Weltgebäudes zu entwerfen? Ich, ihn schätzen, der
Tasso's
Höll' und Teufel verpfuscht hat, der den Lucifer bald in eine Kröte, bald in einen Zwerg verkappt, der ihn die Leier immer herableiern läßt, die er ihm einmal in die Hand gegeben hat, der ihm theologische Dispute in den Mund legt. Ich sollte den Mann schätzen, der
Ariost's
komische Erfindung mit dem Schießgewehr in gutem Ernst nachäfft und sich die Teufel in dem Himmel herumkanonieren läßt. Weder mir

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