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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Bestellereien von Liedchen, selbst oder vor irgendeinem Mietspoeten gemacht. Doch bei alledem werden mir auch diese Dirnen schon höchst unleidlich.
    Nach dem Frühstück besahen sie die Bildergalerie; einen sehr großen geräumigen Saal
    Voll Menschen Glut und Geistes.
    Kandiden war bei dem Beschauen dieser Meisterwerke ganz wunderbar zu Mute;
    Sein Busen war so voll und bang
Von hundert Welten trächtig;
    sein ganzes Wesen schien aufgelöst in einem Meer von Entzücken. Endlich rief er: Von welchem Meister? Und deutete auf ein paar Gemälde, woran er sich am meisten ergötzt, an welchen sein Auge noch mit unbeschreiblicher Bewundrung und liebewarm hing.
    Von
Raphael
, sagte der Senator. Ich war solcher alter Geck und kaufte sie vor etlichen Jahren rasend teuer; ließ mich dazu beschwatzen, weil man mir versicherte, schönre Werke der Kunst gäb's in ganz Italien nicht; ich kann aber nicht sagen, daß sie mir anstünden. Die Farben sind zu dunkel gehalten; die Figuren haben keine Rundung, nichts Hervorspringendes genug, die Draperien nichts weniger als Ähnlichkeit mit Gewändern. Mit einem Worte, was man auch drüber tratscht, treukopierte Natur find' ich gar nicht drinnen. Natur, Natur, die liebe Natur verlang' ich ohn' alle Ziererei so wie allenthalben, auch in Gemälden; aber wo gäb's solche Gemälde? Ich habe Kleckereien und Sudeleien die Menge, mag sie aber gar nicht mehr ansehn.
    Pococurante ließ, während das Diner besorgt wurde, ein Konzert geben. Kandide schwamm in Vergnügen, glaubte Sphärenklang zu hören. Auf eine Viertelstunde hört man das Gequinkeliere, den Dideldumdei wohl an, sagte Pococurante, aber währt's länger, so ist's jedermann überdrüssig, ohne daß eine Seele das Herz hat, es zu gestehn. Heutzutage nimmt die Musik hohen, sonnenhohen Flug, und da mag's der Teufel aushalten und lange mitfliegen.
    Vielleicht behagte mir die Oper besser, wann man nicht das Kunststückchen ausfindig gemacht hätte, sie zu einem Ungeheuer umzuschaffen, wobei sich mein Magen empört. Geh' hin, wer da will, in eure elenden musikalischen Trauerspiele, wo jede Szene dazu angelegt ist, querfeldein zwei oder drei lächerliche Liederchen anzubringen, welche die Kehle der Aktrice ins Licht setzen müssen. Fall vor Vergnügen in Ohnmacht, wer da will oder kann, wenn er einen Kastraten den Cäsar oder Kato hertrillern hört oder mit anmaßlicher Noblesse auf dem Brettergerüste herumspazieren sieht. Ich meines Orts habe schon längst all' diesen Lappereien entsagt, die heutigen Tages den Stolz von Italien ausmachen und die von auswärtigen Potentaten so teuer bezahlt werden.
    Kandide disputierte hierüber mit ihm, aber mit vieler Bescheidenheit, Martin aber war völlig der Meinung des Senators.
    Man setzte sich zur Tafel und nahm ein prächtiges Mittagsmahl ein. Wie man abgespeist hatte, ging man in Pococurantes Bibliothek. Kandiden fiel ein prächtiggebundner Homer ins Auge, und er machte dem Illustrissimo zu seinem Geschmack ein Kompliment. An diesem Werke, rief er, weidete sich der große Panglos, der beste Philosoph in ganz Deutschland. Und ich mich nicht im geringsten, sagte Pococurante ganz kalt. Ehmals wollte man mich bereden, ich fände an dessen Lektüre Vergnügen. Allein das ewige Vorgeleier von Schlachten, die sich ähnlich sehn, wie'n Ei dem andern, diese Götter, die in einem fort handeln und doch nichts Entscheidendes zustande bringen, jene Helena, die den ganzen Krieg angesponnen hat und die sich fast immer hinter der Kulisse hält; jenes Troja, das man immer belagert und niemals einnimmt; alles das wurmte mich so sehr, daß ich den Bettel in den Kamin werfen wollte. Ich fragte manchmal Gelehrte, ob sie nicht ebensoviel Langeweile bei dem alten Salbader empfänden. Wer offenherzig war, gestand mir, es ging' ihm nicht besser, doch müßte man ihn immer in seiner Bibliothek haben, ihn aufbewahren als ein Denkmal des Altertums und wie jene verrosteten Schaumünzen, die nicht mehr im Gange sind.
    Kandide. So denken doch Vossignoria nicht von
Virgil
?
    Pococurante. Ich räum' es ein, daß das zweite, vierte und sechste Buch seiner Aeneide trefflich sind, was aber seinen frommen Aeneas anlangt, den starken Kloanthes und Freund Achates, den kleinen Askan, den König Schwachkopf Latinus, die Spießbürgerin Amata und den Laffen von Weibe, die Lavinia, so glaub' ich nicht, daß man je was Matteres, Widerlicheres gesehn hat. Viel lieber will ich den
Tasso
lesen und all die Ammenmärchen des
Ariost
, worüber

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