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Kameraden: Die Wehrmacht von innen (German Edition)

Kameraden: Die Wehrmacht von innen (German Edition)

Titel: Kameraden: Die Wehrmacht von innen (German Edition)
Autoren: Felix Römer
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sie essenzielle Bedeutung. Sie stellten die Korsettstangen der bestehenden Einheiten und den Nukleus neu aufgestellter Verbände dar. Sie prägten die Strukturen und das Klima der Einheiten. Sie lebten die Praxis des Krieges vor. Und sie fungierten als Multiplikatoren ihrer politischen Auffassungen und ihres soldatischen Habitus. Sie bildeten den harten Kern der Krieger und nicht selten auch die stärksten Stützen des Regimes in der Wehrmacht.
    Je weiter die Soldaten in die Strukturen der Wehrmacht hineinwuchsen, desto größere Handlungsmacht besaßen sie außerdem als Akteure. Die Offiziere und ihre Unterführer verkörperten den Faktor der Intention in der Geschichte des Krieges. Zwar standen auch sie unter sozialem Erwartungsdruck und unterlagen der situativen Dynamik der Ereignisse. Doch aufgrund ihrer Position besaßen sie die Macht, den Krieg direkt an den Frontlinien entscheidend mitzugestalten. Sie besaßen eigenen Einfluss auf das Geschehen und deshalb kamen auch ihre persönlichen Dispositionen zum Tragen, einschließlich ihrer Weltbilder und ihrer politischen Einstellungen. Vor allem durch solche Führungsfiguren konnten folglich auch ideologische Überzeugungen in das Agieren der Truppen einfließen. In Gestalt der überzeugten Nationalsozialisten unter diesen Offizieren und Unterführern erhielt die Kriegführung der Wehrmacht potenziell einen ideologischen Einschlag. Es mussten sich nicht alle Soldaten mit dem Hakenkreuz auf ihrer Uniform identifizieren, damit die Wehrmacht einen nationalsozialistischen Krieg führen konnte – entscheidend war, dass viele ihrer Anführer dies taten.
    Unterhalb der Kommandohöhen sind solche Akteure jedoch zuletzt aus der Geschichte des Zweiten Weltkriegs zunehmend verschwunden, genauer: aus der Geschichtsschreibung. Der Trend der aktuellen Historiografie geht über das Individuum und seinen Anteil am Geschehen immer mehr hinweg. Stattdessen wird alles Handeln auf Triebkräfte zurückgeführt, auf die der Einzelne keinerlei Einfluss besitzt: anthropologische Konstanten, psychosoziale Automatismen, geografische Räume, oberste Führer. Gewiss haben diese Ansätze vieles erhellt, was bislang unterbelichtet war: Vor allem beseitigen sie die idealistische Illusion von individueller Autonomie in kollektiven Ausnahmezuständen und extremen Gewaltsituationen. Wo diese Erklärungsansätze zu ausschließlich gefasst sind, tendieren sie jedoch teilweise dazu, ein allzu reduziertes Bild von den Geschehnissen zu zeichnen. Wenn sogar einem der mächtigsten Protagonisten des Stalinismus, Nikita Chruschtschow, in einer aktuellen Studie bescheinigt wird, ausschließlich »aus Angst« [8] um das eigene Leben gehandelt zu haben, wirkt dies fast wie eine Rückkehr zur traditionellen »Geschichte der großen Männer« – die allein dem König, Kaiser oder Diktator noch eigene Gestaltungsfähigkeit zugesteht. Es geht gewiss an der Realität vorbei, den einzelnen Soldaten des Zweiten Weltkrieges ein allzu hohes Maß an Eigenständigkeit zuzuschreiben. Sie ausschließlich als ohnmächtige Getriebene darzustellen würde ihnen jedoch zweifellos genauso wenig gerecht. Dieses Buch ist somit auch ein Plädoyer dafür, den individuellen Akteur mit seinen biografischen Prägungen und persönlichen Wahrnehmungen in seinen limitierten Handlungsmöglichkeiten ernst zu nehmen.

DANK
    Die Entstehung dieses Buchs ist eine Geschichte für sich – viele Institutionen, Kollegen und Freunde haben dazu beigetragen. Es ist mir ein besonderes Anliegen, hierfür Dank zu sagen.
    Ermöglicht wurde meine Arbeit durch die großzügige Förderung der Fritz Thyssen Stiftung, die mein Projekt mit einem Forschungsstipendium und umfangreichen Sachmitteln finanziert hat. Dafür, wie auch für die hilfsbereite und persönliche Betreuung durch Dr. Frank Suder und sein Team, empfinde ich besonders tiefe Dankbarkeit.
    Das Privileg, Stipendiat der Fritz Thyssen Stiftung zu werden und dieses Buch schreiben zu können, hätte ich nicht erhalten, wenn mich nicht Prof. Dr. Sönke Neitzel im Frühjahr 2008 in seine Forschergruppe aufgenommen hätte. Es lässt sich nicht in wenige Worte fassen, was ich ihm als Projektleiter, Lehrer, Kollege und Freund alles verdanke. Auch Prof. Dr. Harald Welzer, der das Projekt zusammen mit Sönke Neitzel geleitet hat, schulde ich großen Dank für vielfältige Unterstützung und anregende Diskussionen.
    In unserem Forschungsprojekt »Referenzrahmen des Krieges« hatte ich die Freude, mit
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