Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaltgestellt

Kaltgestellt

Titel: Kaltgestellt
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
Pfeiler rechts neben dem Tor war auf einer Metallplatte der Name des Anwesens eingraviert. Newman beleuchtete es mit seiner Taschenlampe: Irongates.
    »Zurück zum Auto«, flüsterte er. Im Inneren des Mercedes war es angenehm warm, denn Newman hatte für den Fall, daß sie unversehens hätten flüchten müssen, den Motor laufen lassen. Er fuhr zurück auf den größeren Platz und bog dort in die Hauptstraße ein. Kurze Zeit später hatten sie Parham wieder verlassen.
    »Irongates«, sagte Newman nachdenklich, als sie weiter durch die verlassene nächtliche Landschaft fuhren. »Ich weiß, wer in diesem Anwesen wohnt. Sir Guy Strangeways. Er war zwanzig Jahre lang in den USA und hat sich dort ein riesiges Immobilien-Imperium aufgebaut. Persönlich habe ich ihn allerdings noch nie zu Gesicht bekommen.«
    »Ich schon«, entgegnete Dillon.
    »Ein ganz gerissener Bursche. Strangeways hat immer genau gewußt, welche Senatoren er in Washington zu schmieren hatte, damit er alte Gebäude abreißen konnte, um dort dann neue Wolkenkratzer zu bauen. Obwohl er lange drüben bei uns war, ist er immer sehr britisch geblieben.«
    »Hat er denn nie die Sitten der Eingeborenen angenommen?«, sagte Newman scherzhaft.
    »Ja, so seht ihr Engländer uns wohl gern: als einen Haufen primitiver Eingeborener.«
    »Ich respektiere immer die Meinung, die jemand über sich selbst hat«, sagte Newman lachend. Dillon war offenbar wieder richtig wach geworden, dachte Newman, sonst hätte er bei diesem ironischen Schlagabtausch wohl nicht mitgemacht. Während sie weiter durch die Nacht fuhren, rauchte jeder eine Zigarette. Dillon sah nach links aus dem Fenster. Der Mond war aufgegangen und beleuchtete eine Reihe niedriger Berge, die in einiger Entfernung auszumachen waren.
    »Und ich dachte immer, dieser Teil der Erde hier wäre bretteben«, sagte Dillon und deutete zu den Bergen. »Das ist er auch. Warten Sie nur, bis wir hinter Ashford sind. Das ist übrigens eine Kleinstadt wie jede andere, wenn man sich aber nicht auskennt, kann man sich dort leicht verfahren. Einmal die richtige Fahrspur verfehlt, und die Umwege nehmen kein Ende.« Sie befanden sich auf einer Straße, die viele Meilen weit schnurgerade nach Süden führte. Es war so gut wie kein Verkehr mehr, und nur selten kamen sie durch eine Ansiedlung. Nachdem sie das menschenleere Ashford durchquert hatten, wurde die Gegend flach wie ein Billardtisch. Zu beiden Seiten erstreckten sich riesige Felder. Als ein Ortsschild mit dem Namen Ivychurch aus der Dunkelheit auftauchte, bog Newman in eine schmale, gewundene Nebenstraße ein. Ivychurch bestand lediglich aus einer kleinen Kirche und einer Hand voll Häuser. »Was ist eigentlich der Bunker genau?«, fragte Dillon. »Warten Sie’s ab.«
    »Ist er denn sicher?«
    »Die Revolverhelden in dem Cadillac werden Sie dort niemals aufspüren.«
    »Sie kennen diese Gangster nicht.«
    »Vielleicht ja doch«, sagte Newman.
    »Halten wir mal kurz an, damit wir uns die Beine vertreten können.« Dillon zog sich die Handschuhe an und stieg aus dem Wagen. Er empfand die Stille, die über der nächtlichen Landschaft lag, fast schon bedrückend. Die kahlen Hecken neben der Straße kamen ihm wie düstere Barrieren aus dornigen Zweigen vor, hinter denen sich die Felder bis in die Unendlichkeit auszudehnen schienen. Nur hier und da war die Silhouette eines Baumes zu sehen, dessen blattlose Äste sich wie Skeletthände in den mondhellen Nachthimmel reckten. Nirgends war auch nur das geringste Anzeichen einer menschlichen Behausung zu sehen. »Es ist ziemlich ruhig hier«, bemerkte Dillon. »Etwas zu ruhig für meinen Geschmack. Die Landschaft erinnert mich an gewisse Gegenden im Mittelwesten bei uns zu Hause. Wo sind wir hier eigentlich?«
    »Die Landschaft hier heißt Romney Marsh«, antwortete Newman.
    »Sehen Sie den Entwässerungsgraben da neben der Straße? Solche Gräben sind typisch für die Gegend.«
    »Tja, ich würde jetzt lieber wieder ins Auto steigen. Wo soll’s denn als Nächstes hingehen?«
    »Weiter hinein ins Marschland.« Dillon gab es bald auf, sich die vielen kleinen Abzweigungen und Kreuzungen einzuprägen, an denen sie vorüberkamen. Newman schien sich hier bestens auszukennen, denn er schaltete kein einziges Mal das Fernlicht ein, obwohl ihnen auf der ganzen Fahrt kein anderes Fahrzeug entgegenkam. In den beiden kleinen Ortschaften, die sie durchquerten, waren alle Fenster dunkel. Dillon fand, daß er noch nie eine so verlassene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher