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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift
Autoren: Nigel McCrery
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und sich
dann womöglich eine Tasse Tee aufbrühte, während sie sauber machte!
    Violet kicherte in sich hinein und hielt sich dabei
wohlerzogen eine Hand vor den Mund. Trotz der ganzen Schweinerei,
diesen Teil der Partie genoss sie wirklich sehr.
    »In der Christrose stecken nämlich alle möglichen
entsetzlichen Sachen«, redete sie weiter und schaute hin, ob Daisy sie
noch hören konnte. »Nieswurz und Sumpfwurz sind beide wie Fingerhut,
den habe ich früher auch schon benutzt, und dann ist auch noch Saporin
und Protoanemonin darin. Ein sehr hässlicher Cocktail.«
    Daisys Hände umklammerten jetzt beide die Armlehnen des
Sessels und stemmten ihren Körper nach vorn, als wollte sie sich
taumelnd aufrichten und zu Violet hinübertorkeln. Violet hob schon eine
Hand, um sie abzuwehren, aber Daisy brach zusammen, sackte wieder in
den Sessel zurück, während ein dünner Wasserfall aus trübem Erbrochenen
sich aus ihrem Mund in ihren Schoß ergoss. Ein Teil davon kleckerte auf
den Boden. Das würde schwer rauszukriegen sein, dachte Violet besorgt.
    Sie beschloss, die Christrose nicht wieder zu verwenden.
Gewiss, sie wirkte schnell und war höchst einfach zuzubereiten, aber
für ihre Zwecke war sie einfach zu eklig. Schon im günstigsten Fall war
das Saubermachen schlimm genug, ohne all diese Körperflüssigkeiten, die
es einem erschwerten. Fingerhut vielleicht, oder Zaunrübenwurzel. Oder
vielleicht Oleander. Sie liebte den Duft von Oleander.
    Daisys Arme wedelten jetzt ziellos umher. Das Ende war sehr
nahe. Wirklich sehr nahe.
    »Mittlerweile ist Ihre Kehle bestimmt vollständig
zugeschwollen«, sagte Violet leise, »und Ihr Herzschlag hat sich sicher
dramatisch verlangsamt. Ich weiß nicht, ob Sie ersticken, bevor Ihr
Herz von selbst zu schlagen aufhört, jedenfalls werden Sie in einer
oder zwei Minuten tot sein. Ich weiß nicht mal, ob Sie mich noch hören
können, aber wenn, dann möchte ich Ihnen sagen, dass Sie ein
selbstsüchtiges, dummes altes Weib sind, und mir war jeder einzelne
Moment der Zeit zuwider, die ich mit Ihnen zugebracht habe. Abgesehen
natürlich von den letzten paar Minuten. Die habe ich sehr genossen.«
    Daisy war still und bewegungslos. Ihre Augen waren trübe und
eingesunken, und der Speichel rann nur noch langsam aus ihrem schlaffen
Mund.
    Violet beugte sich vor und versuchte festzustellen, ob ihr
Herz noch in der Brust flatterte, ob ihr Blut noch träge durch die
Venen gepumpt wurde, doch sie konnte es nicht erkennen. Sie beschloss,
später wiederzukommen und Daisys Puls zu fühlen. Nachdem sie Ordnung
gemacht hatte. Und wenn Daisy jetzt noch nicht tot war – in
einer Stunde bestimmt.
    Es würde ein langer Nachmittag werden, und Violet stellte
fest, dass sie nicht die Energie aufbrachte, sofort vom Sofa
aufzustehen. Das Licht, das durchs Fenster fiel, schien ein eigenes
Gewicht zu haben. Es drückte sie nieder, saugte ihre Kräfte auf und
überflutete ihren Körper mit Wellen der Trägheit. Von ihrem Platz aus
sah sie einen Streifen des rauchgrauen Himmels, eingekeilt zwischen dem
oberen Teil des Fensterrahmens und den Dächern der Reihenhäuser an der
gegenüberliegenden Straßenseite. Die Aussicht ließ in ihrem Kopf zwar
nicht gerade das Traumbild eines schiefergrauen Meeres auftauchen, das
unablässig gegen eine Steinmole schwappte, aber sie öffnete doch einen
Zugang, durch den das Bild in ihre Gedanken schlüpfen konnte. Welle auf
Welle auf Welle schlug gegen den Stein und trug jedes Mal eine
Winzigkeit davon ab.
    Violet schüttelte sich. Wenn sie nicht aufpasste, schlief sie
hier noch ein und vergeudete den halben Nachmittag. Die See konnte
warten. Zuerst war das Saubermachen dran.
    Trotz der Tatsache, dass sie schon seit Monaten regelmäßig in
diesem Haus gewesen war – oft täglich –, hatte Violet
ziemlich präzise im Gedächtnis, was sie im Laufe dieser Zeit angefasst
hatte. Küche und Bad mussten natürlich mit Desinfektionsmittel
gereinigt werden, um sämtliche Fingerabdrücke und alles, was ihre
Präsenz verraten konnte, zu entfernen. Wohn- und Esszimmer waren
weniger problematisch: Violet hatte sehr penibel darauf geachtet, was
sie berührte, und oft hatte sie einen Griff oder eine Oberfläche
abgewischt, wenn Daisy es nicht merkte. Und wenn schon – sie
hätte höchstens gemeint, Violet wolle helfen, das Haus in Ordnung zu
halten. In Daisys Schlafzimmer und dem Gästezimmer – das seit
über dreißig Jahren als Abstellkammer diente – gab es
keinerlei Spuren von
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