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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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die fünf Meter bis zu den nächsten Containern und stieg dann auf einen der langen Zinken des Hubfahrzeuges. Ein Ruck, und sie schwebte nach oben in die dritte Containeretage. Vesna kämpfte mit dem Riegel, sie hatte nur eine Hand frei, klirrend fiel ein Metallstück nach unten, dann war die Containertür offen. Der Container war leer. Ich fotografierte, immer wieder, eines der Bilder musste etwas werden. Die Beamten hatten den Lärm gehört, riefen, liefen in unsere Richtung. Vesna ließ sich nicht beirren. Sie deutete nach oben. Grete hob sie noch höher. Wieder der Kampf mit dem Riegel.
    »Was machen Sie …?«, schrie der Chef der bayrischen Einsatztruppe und brach mitten im Satz ab. Der nächste Container ging auf. Auch er war leer.
    »Nach unten«, rief Vesna.
    Grete brachte sie heil zur Erde zurück.
    Ich sah die Kommissarin an. Sie nickte mir zu und lächelte. Das Risiko hatte sich gelohnt.
    »Wir warten auf die Spezialisten, bevor wir weitermachen«, befand der Polizeichef.
    Ich ging nach draußen. Unglaublich, wie warm einem der Winter vorkommen kann. Der Nieselregen hatte aufgehört. Grete stand einige Meter von mir entfernt und sah zum Betriebsgebäude hinüber.
    »Die Frau«, sagte sie, »vielleicht ist seine Frau noch im Haus.«
    Wir stiegen, so schnell es uns möglich war, die glitschige Wiese bergauf, quer durch das Gebüsch, hinein ins Auto, fuhren einige hundert Meter, liefen hinein in den Wald, hin zur Lichtung. Vesna ging als Erste und drückte die Klinke. Sie nickte, die Türe war offen. Ich war die Nächste, dahinter folgte Grete.
    Wir standen in einer großen Wohnküche. Dunkles Holz, ein Tisch für sechs Personen, gepolsterte Eckbank. Nicht eben mein Stil. Niemand zu sehen.
    »Ich bleibe hier«, zischte Grete, »falls sie flüchten will.«
    Ich sah sie erstaunt an, nickte und schlich mit Vesna weiter. Ein breiter Vorraum, Rumoren in einem der Zimmer. Vesna nickte mir zu und öffnete energisch die Tür.
    Eine Frau stand über einen Koffer gebeugt und sah gehetzt auf.
    »Wir sind nicht Polizei«, sagte Vesna.
    »Ich hab mit dem Ganzen nichts zu schaffen«, sagte die stämmige Frau. Sie war um die vierzig, eine brünette Strähne hing ihr ins Gesicht. Vor zwanzig Jahren konnte sie eine ländliche Schönheit gewesen sein, jetzt wirkte sie erschöpft.
    »Sie haben im Betrieb mitgearbeitet, Sie müssen alles gewusst haben«, sagte ich. »Ihr Mann hat schon gestanden.«
    Sie sah uns verzweifelt an, fast tat sie mir Leid.
    »Das hat er nicht. Nie hat er das. Wer sind Sie?«
    »Ich bin Journalistin.«
    »Ich habe in Supermarkt gearbeitet, wo das aufgetaute Fleisch war.«
    Sie versuchte sich an uns vorbeizudrängen. Vesna hielt sie an der Hand zurück. Grete kam angelaufen.
    »Wie viele gibt es noch?«, fragte die Frau entsetzt.
    »Das reicht«, sagte ich. »Sie erzählen jetzt.«
    »Lassen Sie mich los!«
    Grete sah Frau Zartl an und sagte dann knallhart und spöttisch: »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Ihr Mann Sie nach Argentinien mitnehmen wollte? Wofür packen Sie? Man hat bloß ein Ticket gefunden. Wir wissen von seiner Freundin. Wenn Sie ihn decken wollen, bitte. Gewissen Frauen ist nicht zu helfen.«
    Frau Zartl erstarrte.
    »Nur ein Ticket«, wiederholte Grete.
    Schweigen.
    »Das Schwein«, sagte Frau Zartl dann leise und setzte sich auf die Bettkante. »Dieses Schwein. Zuerst hetzt er mich in die ganze Sache hinein, und dann will er mich zurücklassen. So nicht. Nicht mit mir.«
    Niemand von uns hatte an ein Aufnahmegerät gedacht.
    »Mit mir nicht.«
    »Dann erzählen Sie.«
    Sie sah uns lange an. Dann seufzte sie und sagte: »Es war alles seine Idee. Wir waren pleite, er hat sich übernommen, komplett. Dann kam diese BSE-Krise, so komisch das klingt, uns hat sie geholfen. Waldemar hat das gesamte nagelneue Lager vermietet, um Interventionsfleisch einzulagern. Aber es ging trotzdem nicht recht aufwärts. Die Schulden waren zu hoch, die Zinsen haben uns aufgefressen. Wir sind selbst mit einem LKW gefahren und haben Fleisch verkauft, gutes Fleisch. Kaum ein Gewinn. Unser Sohn hat eine Internetseite gebastelt, wir haben die Firma rindvieh.com genannt, das hat meinem Mann gefallen. Im Ort haben sie über uns gespottet, aber er ist ja nie hinuntergegangen, ich bin es, die einkaufen gehen muss. Aber bei denen waren wir ja schon lange unten durch. Die halten es nicht aus, wenn jemand etwas Neues versucht. Wir haben Pläne gehabt, Pläne …«
    »Das Fleisch im Interventionslager«, half ich
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