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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz
Autoren: Hanna Jameson
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also, dann will ich mich anders ausdrücken«, sagte ich. »Ich werde ihr Zimmer durchsuchen, weil ich dafür bezahlt werde. Ob es für Sie in Ordnung ist oder nicht. Ehrlich gesagt, ist es mir scheißegal.«
    Ich erwartete, dass sie mir die Tür ins Gesicht knallte, doch sie trat zur Seite.
    »Gut.«
    Ich ging hinein und drehte mich zu ihr um. »Sehen Sie, das ist nur …«
    »Keine Sorge, ich habe Sie schon beim ersten Mal verstanden.«
    Es gab nichts, was ich sagen konnte, um die Stimmung erträglicher zu machen. Gab es nie. In meinem Job lernte ich Menschen nur von der schlechtesten Seite kennen – gequält von Trauer, Bosheit oder kleinlicher Rachsucht.
    Ich ging die Treppe hinauf und hörte sie sagen: »Auf der linken Seite« – näher würde ich einer Billigung nicht kommen.
    Als ich das Licht anmachte, traf mich als Erstes die Erkenntnis, wie jung sechzehn war. Die babyblauen Wände waren beklebt mit Postern aus Zeitschriften. Ich hatte keine Ahnung, was das für Jungs waren, aber nahm an, nicht viel zu verpassen.
    Als ich Clare die Treppe heraufkommen hörte, sah ich mich über die Schulter um. »Ich werde ein paar Sachen durcheinanderbringen müssen.«
    Schulterzuckend lehnte sie sich gegen den Türrahmen.
    Ich versuchte, ihre Anwesenheit zu vergessen, und begann, mich methodisch durchs Zimmer zu arbeiten. Zuerst sah ich an den üblichen Stellen nach: in den oberen Fächern des Kleiderschranks und unter der Matratze. Einbrecher folgten derselben Logik – alles von Wert war entweder oben oder unten.
    In ihrer Kommode fand ich ein Tagebuch und ein Adressbuch.
    »Das ist privat«, sagte Clare.
    Ich sah sie kurz an, setzte mich auf den Hocker und stocherte mit einer Haarnadel das Schloss des Büchleins auf. Ich überflog die jüngsten Einträge, merkte mir einige Namen und steckte Adressbuch und Tagebuch in meine Tasche.
    »Wissen Sie, ob Emma einen neuen Freund hatte?«, fragte ich beim Betrachten der Fotos, die in den Rahmen des Spiegels geschoben waren.
    »Nein.« Sie zögerte, als fühlte sie sich schuldig zu fragen: »Haben Sie denn …? Hatte sie einen?«
    »Möglich.«
    »Oh.«
    Emma sah wie ein Mädchen aus, das zu viele Leute kannte, fand ich. Ein beliebtes Mädchen mit einem so großen Bekanntenkreis, dass es nicht zu sagen wüsste, welche davon Freunde waren.
    »Ich glaube, das hätte sie uns erzählt«, sagte Clare. »Sie erzählt uns alles.«
    »Nichts für ungut, aber das ist ein Märchen.«
    Es war zu still, das Zimmer zu hell.
    Ich streckte die Arme aus und fuhr mit den Händen links und rechts die Rückseite des Spiegels ab. Meine Finger streiften etwas, das dort mit Tesa festgeklebt war. Ich reckte mich, um es abzuziehen. Es war ein Tütchen mit weißem Pulver.
    »Nein, das würde sie nicht …« Clare trat ins Zimmer.
    Ich steckte es zu Tagebuch und Adressbuch in meine Tasche. »Keine Sorge, es hat vielleicht überhaupt keine Bedeutung.«
    »Für mich hat es Bedeutung.«
    Ich drehte mich zu Emmas Nachttisch um und sah auf der Digitalanzeige, dass es fast drei Uhr nachts war.
    »Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte ich. »Ich denke, für den Anfang habe ich genug Informationen. Ich komme morgen wieder vorbei … beziehungsweise heute Abend. Hoffentlich ist Pat dann zurück, und falls die Polizei in der Zwischenzeit irgendwas findet, werde ich es vor allen anderen erfahren.«
    »Wollen Sie die Sachen einfach so mitnehmen?« Sie wies mit dem Kopf auf meine Tasche. »Vielleicht kommt sie zurück, und wenn sie dann sieht, dass wir …«
    Ich machte mir nicht die Mühe, etwas zu sagen.
    »Verstehe«, sagte sie. »Sie glauben nicht, dass sie zurückkommt, oder?«
    »Nein. Ich mache bloß meine Arbeit.«
    Sie musterte mich von oben bis unten, wirkte jedoch zu müde, um sich weiter zu streiten.
    »Gut«, sagte sie.
    »Okay. Ich schaue später wieder vorbei.«
    Auf dem Weg zur Treppe streifte ich ihre Schulter, doch sie hatte die Arme verschränkt, und die Narben an ihren Handgelenken waren nicht zu sehen.
    Das Telefon in meiner Tasche vibrierte. Es war Brinks, und ich wusste bereits, was er sagen würde.
    »Jep?«
    Er klang, als würde er laufen, sein Atem rauschte schwer in der Leitung. »Die Kollegen vom Opferschutz sind gerade auf dem Weg zu den Eltern, die armen Schweine müssen eine Leiche identifizieren.«
    »Habt ihr sie gefunden?«
    »Sie, es, was auch immer. Wenn du mir nicht die Klamotten beschrieben hättest, wüsste ich gar, woran ich bin.«
    »Ist es schlimm?«
    »Schlimm? Unkenntlich
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