Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz
Autoren: Hanna Jameson
Vom Netzwerk:
aufhörte und der Hals begann, doch obwohl man das Blut so gut wie möglich entfernt hatte, konnte ich sie nicht ausmachen.
    Clare hatte nur einen Blick gebraucht.
    Mit dem Rücken zur Scheibe begann sie zu weinen. Ich blieb still, hielt mich zurück. Im Wagen hatte ich mein Bestes getan, um sie darauf vorzubereiten, was sie erwartete, aber wahrscheinlich hatte sie mir nicht zugehört.
    Die Beamten entfernten sich, um uns Raum zu geben, den ich gar nicht wollte.
    »Nein, nein, nein, nein, nein, nein …«
    Ich sah, dass ihre Knie nachgaben, und war gerade noch rechtzeitig bei ihr, um ihren Sturz abzufangen. Auf den Knien hockend und unfähig, sie aus den Armen zu lassen, spürte ich, wie ihre Tränen mein Hemd durchnässten. An meiner Stelle hätte Pat hier sein sollen, und ich hasste ihn dafür. Hass, Angst und ein fremdes Gefühl fingen sich in meiner Kehle und drückten auf meinen Atem. Ich schaltete auf Autopilot, tat, was andere Menschen meiner Meinung nach mit der vor Kummer bebenden Frau eines anderen Mannes im Arm tun würden: strich ihr übers Haar, so weich, wie ich es mir vorgestellt hatte, sagte: »Ist gut, ist gut, ist gut, ist gut …«, auch wenn es nicht gut war. Es würde nie wieder gut sein.
    Ich wusste nicht, wie oft ich das gesagt hatte, bis die Beamten zurückkehrten und ich spürte, dass wir jetzt gehen mussten.
    »Kommen Sie, wir müssen los.«
    Keine Reaktion.
    Ich schielte zu den Beamten hinüber, nickte, als wollte ich sagen: Kleinen Moment noch , holte tief Luft.
    »Hey«, sagte ich und sah sie an. »Hey, ähm, Clare.«
    Sie schaute hoch, doch in ihrem Gesicht flackerte nur ein schwaches Erkennen auf.
    Luft sammelte sich in meiner Brust, ich musste schlucken. »Na los, Sie müssen nach Hause. Können Sie für mich aufstehen?«
    Sie nickte langsam.
    Ich half ihr hoch und musste sie fast nach draußen tragen.
    Im Wagen gab keiner von uns ein Wort von sich. Sie lehnte die Stirn gegen die Scheibe, sah gelbe Lichter vorbeihuschen.
    Die Uhr im Armaturenbrett zeigte 05:48 .
    Als wir uns dem Haus näherten, war der Mercedes zurück. Ich hielt ihr die Wagentür auf und brachte sie zum Eingang. Pat öffnete beim zweiten Klingeln, stand zu aufrecht da in seinem Anzug, sah aus, als versuchte er sein Bestes, sich nicht festzuhalten.
    Clare löste sich von mir und gab ihm eine Ohrfeige.
    Er sagte nichts, sah ihr nicht mal in die Augen.
    Sie musterte ihn mit bebenden Lippen von oben bis unten und ging ins Haus.
    Ich konnte noch ihr Parfüm auf meiner Kleidung riechen.
    Pat sog die Luft langsam durch die Nase ein und sagte: »Sie sind Nic?«
    Ich bejahte. »Tut mir leid.«
    Sein Gesicht verzerrte sich. »Sie können … Sie können jetzt gehen … ich melde mich.«
    Als ich zur Straße zurückging, atmete ich tief durch und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Ein unerbittlicher Wind heulte auf, das Thermometer in meinem Wagen zeigte minus vier Grad. Heute Nacht würde niemand Trost finden.

4
    Als ich erwachte, spürte ich Sonnenlicht im Gesicht, meine Augenlider waren verklebt vom Schlaf. Die Schultern taten mir weh, ich lag auf einem Kissenhaufen, und als ich endlich die Augen öffnete, stellte ich fest, dass ich auf der Couch eingeschlafen war.
    Ich setzte mich hin, und Emmas Tagebuch rutschte von meinem Bauch auf den Boden.
    »Ach, Scheiße.«
    Ich sah auf die Uhr.
    »Uh.«
    Es war schon fast Mittag, vor Schreck sprang ich hoch. Ich wankte, blinzelte, bis ich den Raum klar genug sah, um mein Handy auf dem Couchtisch zu entdecken. Keine Nachricht aus Russland. Mein Mitbewohner Mark Chester war nun seit über einem Monat unterwegs, und ich hatte bisher nur fünf SMS von ihm bekommen.
    Ich wollte mir in der Küche einen Kaffee machen, fand dann aber, es sei schon zu spät, und ging stattdessen ins Bad. Es sah nicht gut aus. In einer Dreiviertelstunde hatte ich einen Termin bei Edie Franco wegen eines neuen Auftrags, und ich wollte meine professionelle Erscheinung nicht beeinträchtigen, indem ich da auftauchte und wie der Überlebende eines billigen Junggesellenabschieds aussah.
    »Meine Güte …«
    Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht, zog mein T-Shirt aus und merkte, dass ich mir etwas auf den Handrücken geschrieben hatte.
    Wer ist K?
    Ein jüngerer Eintrag aus Emmas Tagebuch fiel mir wieder ein.
    »War wieder mit K eine Lieferung abholen. Wenn ich mir Dads Gesicht vorstelle … LOL .«
    Ich warf noch einen Blick auf die verblassten Buchstaben, dann sprühte ich Deo über den hartnäckigen Geruch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher