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Kalter Schlaf - Roman

Kalter Schlaf - Roman

Titel: Kalter Schlaf - Roman
Autoren: A J Cross
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»Weshalb legen sie Pausen ein? Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass Pausen auftreten können, wenn im Leben von Wiederholungstätern irgendein Wechsel zum Besseren eintritt. Wenn sich etwas Neues ereignet, das sie mit Zufriedenheit erfüllt und ihre zwanghafte Mordlust dämpft. Vielleicht ein neuer Job oder eine neue Beziehung, die lohnend genug ist, um die Täter von verbrecherischen Gedanken und Verhalten abzulenken.« Die Studenten beobachteten, wie Kate vor ihnen auf und ab ging und ihre Worte mit nachdrücklichen Handbewegungen unterstrich. »Aber irgendwann kommt unweigerlich der Augenblick, an dem die neue Befriedigung nicht mehr stärker als der Drang einer erregten Fantasie und der Nervenkitzel einer Wiederholungstat ist. Sobald der Täter eine ›Auszeit‹ genommen hat, kehrt er zurück.«
    Kate lächelte schwach und richtete den Laserpointer wieder auf die Fotos auf dem Großbildschirm, ohne die jungen Leute vor ihr aus den Augen zu lassen. »Eine letzte Ermahnung, die vor allem den Frauen unter Ihnen gilt. Sehen Sie sich diese Bilder gut an. Durchschnittsmänner? Einige sogar recht attraktiv?«
    Ein Grinsen auf vielen Gesichtern.
    Im nächsten Augenblick wurde Kate wieder ernst. »Für manche der jungen Frauen, die ich Ihnen gezeigt habe, könnte eines dieser Gesichter das Letzte gewesen sein, was sie in ihrem Leben gesehen haben. Einer dieser Männer kann ein personifizierter Albtraum gewesen sein. Einen Mann dieser Art dürfen Sie niemals unterschätzen. Er ist nicht nur ein Schauspieler.« Sie machte eine Pause. »Im Theater der Serienmorde ist er der Regisseur.«
    Die Worte schienen in der stillen Luft des Hörsaals zu hängen.
    Kate stellte sich vor, dass vermutlich einige ihrer Studentinnen den realen Sexualstraftäter in der Beschreibung, die sie geben würde, wiedererkennen würde. »Sollte es Ihnen also passieren, dass der nett aussehende Mann mit einem Arm in der Schlinge Ihnen eine Ladung Bücher vor die Füße kippt und Sie bittet, ihm zu helfen, sie in seinen Mini zu laden, erklären Sie ihm bitte: ›Sorry, ich würde Ihnen gern helfen, aber ich kenne Sie leider überhaupt nicht.‹«
    Nach den letzten Worten flammten im Hörsaal die Deckenleuchten auf, und als die Spannung sich löste, brachen ihre Studenten in spontanen Beifall aus. Sie lächelte, dann winkte sie knapp, überquerte rasch das Podium und verschwand durch die Tür.

2
    Kate spürte, dass ihr Puls beschleunigt war, als sie bei Stimmengewirr und dem Lärm der hochschnellenden Klappsitze ihre Unterlagen zusammensuchte. Keine ungewöhnliche Erfahrung, das wusste sie, nach den langen Semesterferien.
    Julian trabte in abgeschnittenen Jeans an ihr vorbei, um die Geräte vom Podium zu holen. Grateful stand vorn auf seinem schwarzen T-Shirt, Dead auf dem Rücken. Als er mit dem Laptop und dem Laserpointer zurückkam, bedachte Kate ihn mit einem warmen Lächeln.
    »Danke, dass Sie heute hier waren, Julian. So kann ich mich auf meinen Vortrag konzentrieren, ohne ständig an die Technik denken und Angst haben zu müssen, ich könnte Fehler machen.«
    »Null Problemo, Kate.«
    Kate, die keinen großen Wert auf ihren Titel legte oder übertriebenen Respekt forderte, gestattete Julian außerhalb von Vorlesungen diese informelle Anrede – vor allem auch, weil er bei ihrer gelegentlichen Arbeit für die West Midlands Police ihr jüngerer Kollege war.
    Julian winkte ihr zu, als er merkte, dass sie gehen wollte.
    »Wir sehen uns beim nächsten Kolloquium.«
    »Worauf Sie sich verlassen können.«
    Kate verließ den Hörsaal und trat in die Nachmittagshitze hinaus. Sie schritt zielbewusst aus, folgte dem heißen Asphaltweg zwischen braun vertrockneten Rasenflächen und unter bewegungslosen Campusbäumen, die noch ihr Sommerlaub trugen, das sich bei manchen schon bunt zu verfärben begann und bald abfallen würde.
    Ein gutes Stück vor ihr ging eine sportliche Gestalt in Jeans und weißem Oberhemd und mit einem Matchsack über einer Schulter. Der Überraschungsgast in ihrer heutigen Vorlesung. Sie hastete hinter ihm her. »Harry! Hey, Harry, warte!«
    Keine Reaktion. Sie versuchte es erneut, diesmal lauter. Er blieb stehen, zog Ohrhörer heraus und drehte sich mit abweisend missmutiger Miene um, während auf beiden Seiten Studenten an ihm vorbeiströmten. Kate erinnerte sich an Harrys Vorliebe für Mahler und Wagner. Diese beiden konnten jeden trübselig werden lassen.
    Sobald Harry sie erkannte, hellte sich seine Miene auf, und er
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