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Kalte Schulter, Heißes Herz

Kalte Schulter, Heißes Herz

Titel: Kalte Schulter, Heißes Herz
Autoren: Julia James
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durch den dünnen Stoff seiner schäbigen Jacke. Er ging über die anonyme Straße einer Großstadt, in der er nur ein Obdachloser von vielen war. Heimatlos, eine Randfigur … ausgestoßen, ignoriert und verachtet.
    Auf dem beschwerlichen Weg durch diese trostlose Welt nahm Leon jeden Job an, den er bekommen konnte. Ganz gleich, wie hart die Arbeit war oder wie schlecht er dafür bezahlt wurde. Es waren Jobs, die von den Einheimischen des Landes, in dem er nun lebte, gemieden wurden. Die meisten von ihnen waren sich zu fein dafür, aber das galt natürlich nicht für mittellose Flüchtlinge und Einwanderer.
    Er gewöhnte sich schnell daran, von oben herab behandelt zu werden. Dass Menschen durch ihn hindurchblickten, als würde er gar nicht existieren. Oder als würden sie nicht wollen , dass er existiert. Doch auch wenn er sich daran gewöhnte, machte es ihm trotzdem noch etwas aus. Leon war wütend und frustriert, und diese Gefühle trieben ihn voran. Sie verhalfen ihm zu der Entschlossenheit, etwas aus sich zu machen, sich nach ganz oben zu schuften, damit ihn eines Tages niemand mehr ignorieren konnte. Dann würde er nicht länger unsichtbar sein!
    Unbewusst hatte er seine Hand fester ums Brandyglas geschlossen, während sein Bewusstsein in die Vergangenheit gereist war. Die Wut von damals hatte noch immer große Macht über ihn.
    Warum bloß? Diese Frage plagte ihn wirklich, und er sah sich in dem extravagant eingerichteten Hotelzimmer um, in dem er stand. Warum konnte er nicht einfach die Früchte seiner harten Arbeit genießen und die negativen Erfahrungen hinter sich lassen? Wozu alte, schmerzhafte Empfindungen hochkochen? Vor allem, wenn diese ihm die Selbstkontrolle raubten?
    Und wer war Flavia Lassiter, dass sie diese Emotionen in ihm so leicht provozierte? Die verwöhnte Tochter von Alistair Lassiter, hochwohlgeboren und privilegiert, meinte also, sie könne ebenfalls durch Leon hindurchblicken und ihm das Gefühl geben, nichts wert zu sein? Damit war er wieder zu dem mittellosen Einwanderer degradiert worden, der niedere Arbeiten für reiche Frauen wie sie verrichtete: Drinks servieren, Tische abräumen oder Mäntel weghängen. Dieses arrogante Weib hielt die Nase hoch und würdigte ihn kaum eines Blickes.
    Mittlerweile brannte die Wut wie ein Feuer in ihm. Mit Mühe zwang Leon sich, das Glas aus der Hand zu stellen, und atmete tief durch, um seinen Frust abzuschütteln. Diese ganze Aufregung war überflüssig. Flavia Lassiter hatte sicherlich einen triftigen Grund für ihr Verhalten, der ihm sogar eigentlich schmeicheln sollte: Sie war schlicht und ergreifend scharf auf ihn! Deshalb wich sie ihm aus und vermied jeden Augenkontakt. An dieser Erklärung musste er festhalten. Sie hielt ihn auf Abstand, aber er würde noch herausfinden, wie er ihre Abwehr knacken konnte!
    Ein zynischer Zug schlich sich in seine Mimik. Alistair Lassiter wäre es bestimmt ganz recht, wenn Leon sich für seine Tochter interessierte. Das bot dem Alten die einmalige Gelegenheit, sich näher mit Leon anzufreunden, denn darauf hatte Lassiter es zweifellos abgesehen.
    Umso besser! Im Augenblick war Maranz Finance der Rettungsschirm, auf den Lassiter hoffte, um sein eigenes marodes Unternehmen wieder in tieferes Fahrwasser zu bringen. Und daraus ließ sich doch etwas machen …?
    Flavia saß mit verschränkten Fingern und aufeinandergepressten Lippen im hinteren Teil der Limousine ihres Vaters. Ihr Gesicht war starr wie eine Maske. Anita, die neben dem alten Lassiter saß, beugte sich weit vor.
    „Du siehst so klasse aus, Süße, mit den offenen Haaren und diesem knallroten Lippenstift“, zwitscherte sie. „Das wertet dieses Kleid echt auf.“ Ihre falschen Wimpern wippten auf und nieder, während sie Flavias Aufzug musterte. „Ein super Schnitt, nur schade, dass die Farbe völlig daneben ist.“
    Eine winzige Regung zeigte sich auf Flavias Gesicht. Am Nachmittag war sie von ihrem Vater dazu verdonnert worden, mit Anita durch die Stadt zu streifen und sich „zur Abwechslung mal etwas Glamouröses“ anzuschaffen. Nach der langen Nacht sah ihr Vater mit seinen blutunterlaufenen Augen und den aufgedunsenen Wangen einfach schrecklich aus.
    Sie hatte den Einkaufsbummel strikt ablehnen wollen, aber ihr Vater bestand darauf.
    „Heute Abend gehen wir zu einer angesagten Charity-Veranstaltung. Und ausnahmsweise kannst du dich dafür ja mal nicht wie eine verdammte Nonne anziehen!“
    Da sie um Anitas Vorliebe für Prunk und Glitzer
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