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Kalte Schulter, Heißes Herz

Kalte Schulter, Heißes Herz

Titel: Kalte Schulter, Heißes Herz
Autoren: Julia James
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hinübergetragen.
    Unbewusst atmete Flavia tief ein und schloss für einen Sekundenbruchteil fest die Augen. Angestrengt starrte sie dann ins Leere und spielte mit ihrem Wasserglas. Wenigstens machte es den Anschein, als würde Leon ihr abweisendes Verhalten hinnehmen und sie in Ruhe lassen. Er widmete sich seiner Tischnachbarin auf der anderen Seite, und Flavia hörte ihr affektiertes Gekicher, das ziemlich geschmeichelt klang. Worüber die beiden sich unterhielten, wusste Flavia allerdings nicht, und sie wollte es auch gar nicht wissen!
    „Leon! Ich muss mal kurz Ihre Meinung hören“, ertönte Anitas keifende Stimme.
    Fast hätte Flavia ihr eine Ohrfeige für diesen Schachzug gegeben, denn nun drehte Leon sich wieder zu ihnen um. „Worum geht es?“, erkundigte er sich reserviert.
    Anita wedelte mit ihrer von zu vielen Ringen bestückten Hand in der Luft herum. „Finden Sie nicht, Flavia sieht mit offenen Haaren viel besser aus als so streng frisiert wie gestern Abend?“
    Flavia fühlte richtig, wie sich zwei heiße dunkle Flecken auf ihren Wangen ausbreiteten. Das war wirklich zu viel des Guten! Wutentbrannt drehte sie sich zu Anita um, doch Leon hatte schon eine Antwort parat.
    „Es wirkt sehr ungezwungen“, bemerkte er, und für Flavia war es, als würde er sie in diesem Moment berühren.
    Ihre Wangen wurden noch heißer.
    „Siehst du?“, kreischte Anita triumphierend. „Habe ich dir doch gesagt, Flavia! Du könntest umwerfend aussehen, wenn du dir nur mal ein bisschen Mühe gibst. Ich gebe dir einen guten Rat, Schätzchen.“ Vertraulich beugte sie sich vor. „Sobald du Leon Maranz in deinen Bann gezogen hast, bist du am Ziel deiner Träume.“ Sie lachte übertrieben laut.
    Für Flavia war die Gala damit gelaufen. Mit steinerner Miene brachte sie das Dinner hinter sich und war froh darüber, nicht mehr wesentlich ins Tischgespräch eingebunden zu werden. Die anwesenden Gäste rissen sich darum, ein Wort mit Leon zu wechseln, und ihr Vater spielte den großen Gastgeber. Der Alte hatte zu seiner gewohnten Fasson zurückgefunden, und die anfängliche Anspannung war verschwunden. Womöglich war er inzwischen sicher, dass Leon ihm aus der Patsche helfen würde, anders war sein Stimmungswechsel nicht zu erklären.
    Ist es tatsächlich Vorfreude oder doch eher eine Mischung aus Hysterie und Verzweiflung? überlegte Flavia. Ihr Vater bemühte sich sehr um Leon, und dieser zog es offenbar vor, den Alten reden zu lassen und sich selbst im Hintergrund zu halten. Seine wenigen, knappen Bemerkungen trieben Alistair Lassiter regelrecht zur Höchstform an.
    Sie betrachtete ihren Vater von der Seite. Er hatte seine Krawatte gelockert, und sein Gesicht nahm mittlerweile eine ungesunde Farbe an. Die Gläser wurden stetig nachgefüllt, und Flavia fragte sich, wie viel er wohl schon getrunken hatte. Angewidert verzog sie das Gesicht.
    Ein Segen, dass ich morgen nach Hause fahren kann, dachte sie. Sie wollte so schnell wie möglich weg von ihrem Vater und von dem hohlen, geldbesessenen Leben, das er führte. Und auch wenn dies eine Wohltätigkeitsveranstaltung war, wollte sie nicht hier sein. Der Raum war übertrieben pompös geschmückt, der Alkohol floss in Strömen, und es roch unangenehm nach starken, teuren Parfums.
    Zu gern wäre Flavia jetzt in ihrem geliebten Harford, ganz weit draußen auf dem Lande. Bei ihrer Großmutter in der ruhigen, vertrauten Welt, die für Flavia so wertvoll und wunderbar war.
    Leider musste sie zuerst diese Nacht hinter sich bringen, so lange sie auch dauern mochte.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit neigten sich das mehrgängige Essen und auch die Spendenaufrufe und Präsentationen der Veranstalter dem Ende zu. Es gab Kaffee, Likör und kleine Knabbereien zum Nachtisch. Auf der Rednerbühne hatte sich inzwischen eine kleine Band formiert, die bereits ihre Instrumente stimmte.
    Erschöpft schloss Flavia die Augen und blendete ihre Umgebung für eine Weile aus. Sie wollte nur noch weg, aber das war reines Wunschdenken. Es gab keinen Zweifel daran, dass ihr Vater und Anita gleich die Tanzfläche stürmen würden und sie mit Leon Maranz allein zurückließen. Aber vielleicht forderte er ebenfalls jemanden zum Tanz auf?
    Zu früh gefreut: Leons zweite Tischnachbarin ging mit ihrem Begleiter tanzen, und somit saßen Leon und Flavia plötzlich allein am Tisch.
    Mit steifen Fingern griff sie zur Kaffeekanne.
    „Erlauben Sie mir?“ Seine Hand war schneller, und er schenkte ihre Tasse voll.
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