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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition)
Autoren: Jan Faber
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eine Telefonnummer gegeben. Ich schicke sie dir per SMS . Dann kannst du dich bei ihr melden, wenn du Zeit hast.«
    »Gut, schick mir die Nummer.« Natascha Eusterbeck legte auf. Sie schloss kurz die Augen. Gewalt gegen Frauen war ein immer wiederkehrendes Thema. Vermutlich begegnete es fast allen Frauen, die in der Politik tätig waren. Ein ewiger Kampf gegen die Hydra, denn gewalttätige Männer wuchsen stets nach. Natascha war im Beirat des Frauenhauses in ihrem Wahlbezirk engagiert. Vielleicht hatte die Frau sie dort erlebt und sich jetzt hilfesuchend an sie gewandt.
    Eine Baustelle versperrte den Weg, das Taxi musste einige Augenblicke warten. Die Kurznachricht von Petra Reber kam auf Nataschas Handy. Sie sah auf die Uhr. Noch elf Minuten bis zu ihrem Termin. Vier Minuten, bis sie an der Pforte sein würden. Sie seufzte, wählte die Nummer doch. Es klingelte nur einmal, dann meldete sich eine tiefe, angenehme Frauenstimme. »Ja? Hier ist dein schwarzer Engel.«
    »Hier spricht Natascha Eusterbeck. Mit wem bin ich verbunden?«
    »Frau Eusterbeck!« Der ausländische Akzent war nicht zu überhören. Und der lockende Ton war weg. »Danke, dass Sie mich anrufen. Ich muss Sie unbedingt treffen!«
    »Sind Sie die Frau, die in meinem Büro gewesen ist?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Worum geht es denn?«
    »Das kann ich am Telefon nicht sagen. Bitte lassen Sie uns ein Treffen ausmachen.«
    »Meine Sekretärin sagt, Sie wollen auspacken. Was meinen Sie damit?«
    »Nicht am Telefon. Bitte!«, flehte sie. »Wann kann ich Sie sehen?«
    »Hören Sie …«
    »Es geht um Leben und Tod. Wirklich.« Die Stimme der Frau war leise geworden. Leise, drängend und panisch.
    »Das geht jetzt nicht. Können Sie nicht noch mal in meinem Büro …«
    »Bitte!«
    Natascha seufzte. »Ich bin gerade auf dem Weg ins Kanzleramt, ich kann Sie jetzt auf keinen Fall treffen.«
    »Später. Oder morgen. Sie müssen nicht denken, dass ich verrückt bin. Ich bin nicht verrückt. Aber ich habe Angst. Um mich und um mein Kind.«
    »Okay, hören Sie, ich gehe jetzt in meinen Termin. Das wird ein paar Stunden dauern. Wenn ich fertig bin, rufe ich Sie wieder an, ja?«
    »Danke.« Natascha konnte hören, dass die Frau weinte. Sie legte auf und schaltete das Handy aus. Inzwischen hatten sie die Pforte des Kanzleramtsgeländes erreicht. Sie zahlte und stieg aus. Am Eingang legte sie die Ausweiskarte vor, die ihr am Morgen ein Kurier in ihre Berliner Stadtwohnung gebracht hatte. Hier ist dein schwarzer Engel , dachte sie. Zweifellos hatte Petra Reber recht, und es war eine Prostituierte. Eine Farbige offenbar. Natascha mochte sich gar nicht vorstellen, was für ein Schicksal vermutlich hinter ihrer Lebensgeschichte steckte. Aber sie würde es müssen. Schließlich war sie in die Politik gegangen, um zu helfen, wo es möglich war.
    *
    Es gibt Menschen, die eine ungeheure Ruhe ausstrahlen, während um sie herum das Chaos tobt. Zu diesen Menschen gehörte die Kanzlerin – und doch auch wieder nicht. Denn obgleich es kaum etwas gab, das sie aus ihrer stoischen Haltung riss, hatte man doch niemals das Gefühl, dass sie einem ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Im Gegenteil: Während ihr Referent ihr außenpolitische Entwicklungen aus den Krisengebieten der Welt vortrug, konnte sie Akten über die jüngsten Arbeitsmarktzahlen studieren und immer noch ein Auge auf ihrem Handy haben, auf dem im Minutentakt Kurznachrichten eintrafen.
    Bernhard Bauer, der persönliche Referent der Kanzlerin, war ein blasser, stiller Mann von unverbrüchlicher Loyalität. Vor allem war er unsichtbar, was die Kanzlerin schätzte. Sie konnte am besten mit Mitarbeitern, die keinen Drang zur Selbstdarstellung hatten und sich auch nicht mit persönlichen Meinungen oder gar Ideologien hervortaten. Ideologien oder Dogmen waren ihr verhasst. Meine Ideologie ist die Machbarkeit, pflegte sie zu sagen. Dieser Feststellung hätte sogar die Opposition zugestimmt, wenngleich mit beißendem Spott.
    Als Natascha Eusterbeck gemeldet wurde, verließ Bauer den Raum, grüßte in der Tür mit einem Nicken und verschwand in seinem Büro um die Ecke. »Guten Morgen, Frau Eusterbeck.« Die Kanzlerin schenkte ihr ein Lächeln. Natascha atmete innerlich auf. Sie war doch etwas befangen gewesen, aber die Kanzlerin hatte das Eis mit einem einzigen Blick gebrochen. Die Alte war eben ein Profi. »Guten Morgen, Frau Bundeskanzlerin.«
    »Setzen Sie sich doch.« Sie machte keine Anstalten, sich zu erheben und mit
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