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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition)
Autoren: Jan Faber
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Ton, als müsste sie einer Drittklässlerin zum achten Mal erklären, was der Unterschied zwischen Multiplizieren und Dividieren ist. »Keiner wird Ihnen etwas erzählen wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses, das Sie miteinander unterhalten.« Sie beugte sich zu Natascha und sah ihr direkt in die Augen. »Alles, was man Ihnen erzählen wird, wird aus Eigennutz an Sie herangetragen werden. Wenn erst einmal bekannt ist, dass Sie sich gerne informieren, wird man Ihnen viel erzählen. Jeder wird das wissen und an Sie weitergeben, was ihm nützt und was seinem jeweiligen Gegner schadet. Ihre Aufgabe wird sein, aus dem Destruktiven dieser Informationen ein positives Bild zu zeichnen. Ich habe Sie auf diese Position geholt, weil ich eine Agentin in diesem Haus brauche. Und eine Kartografin.«
    »Eine Kartografin?«
    »Der Macht. Stellen Sie sich vor, Sie kennen jede Strömung, jede Klippe, jede Landzunge, jede Sandbank – aber Sie haben keine Ahnung, wo alle diese Orte auf der Seekarte liegen. Ich kenne das meiste. Aber ich kann die Zusammenhänge nicht mehr herstellen. Es ist zu viel. Was ich von Ihnen will, ist, dass Sie mir eine Karte der Macht zeichnen. Nein, viele Karten. Legen Sie Archive an, werten Sie Quellen aus, zeichnen Sie mir die unterschiedlichsten Karten. Ich meine das absolut wörtlich. Ich will Karten, Bilder, auf denen ich Zusammenhänge sehen kann. In jedem Bereich. Wirtschaft. Militär. Justiz. Stiftungen. Männerbünde. Frauencliquen. Wer mit wem. Warum. Wann. Wie oft. Zeichnen Sie mir Verbindungen. Wo verlaufen die unsichtbaren Strömungen? Wer beschäftigt welche U-Boote?«
    Natascha schüttelte den Kopf. »Wie soll das gehen? Solange ich die Lüge nicht von der Wahrheit unterscheiden kann und jede Verleumdung und jedes Gerücht für bare Münze nehmen muss, laufe ich Gefahr, in jede Falle zu gehen – und Ihnen Falschinformationen zu liefern. Ich brauche Vertraute, mit denen ich zumindest einen Gegencheck machen kann.«
    »Da haben Sie recht«, sagte die Kanzlerin und stand auf. »Und da kommt Ihr Mann ins Spiel.«
    Natascha Eusterbeck ahnte nicht, dass sie selbst der Spinne ins Netz gegangen war.
    *
    Als sie das Gebäude wieder betraten, wartete bereits Gerhard Jäger auf sie, der Sicherheitschef des Kanzleramts, ein langer, hagerer Mann Ende vierzig, der ständig mit einem Knopf im Ohr herumlief, dessen Kabel im Kragen seines Jacketts verschwand. »Herr Jäger«, sagte die Kanzlerin, »ich bringe Ihnen hier unsere neue Kollegin. Seien Sie so nett und zeigen Sie ihr alles, statten Sie sie aus. Und vor allem stehen Sie ihr zur Verfügung. Sie hat unter anderem die Aufgabe, unser Amt noch effizienter zu machen und unsere Strukturen zu optimieren.« Dann wandte sie sich wieder Natascha zu: »So, ich muss mich jetzt wieder um andere Dinge kümmern. Meine Handynummer gibt Ihnen Herr Jäger. Schreiben Sie mir jederzeit eine SMS . Und ansonsten wissen Sie ja, wo Sie mich finden. Alles Weitere haben wir besprochen.« Sie lächelte freundlich und unverbindlich, drückte Natascha die Hand und ging dann die Treppe hoch, nicht ohne ihre Kurznachrichten zu checken.
    »Willkommen im Club«, sagte Jäger und ließ eine Hand in sein Jackett fahren. »Wir machen jetzt die kleine Tour«, sagte er, offenbar nicht zu Natascha. »Wir sehen uns in zwanzig Minuten im Lageraum. Entschuldigung, jetzt bin ich für Sie da.« Er blickte Natascha an, und es war dieser prüfende Blick, der automatisch unter die Achseln, an die Ärmel, Körpermitte und Füße zielte, also dorthin, wo das Waffenpotenzial eines Menschen am höchsten war. »Können wir?«
    »Gerne«, sagte Natascha und folgte ihm. Sie gingen in einen gesicherten Raum hinter dem Empfang und von dort einen Gang entlang, der Natascha vage an die Stasiunterlagenbehörde erinnerte. Die Kälte dieses Trakts war beinahe körperlich zu spüren. »Zu den Verhaltensregeln im Haus«, begann Jäger zu dozieren. »Das Kanzleramt ist in mehrere Bereiche eingeteilt, für die unterschiedliche Sicherheitsstufen gelten. Im ›Heiligtum‹ waren Sie ja vorhin schon. Der Kanzlertrakt und die umgebenden Räume, das Sicherheits-, das Lagezentrum und die Kommunikationszentrale sind Sicherheitsstufe drei. Alles andere ist Sicherheitsstufe zwei, nur die Außenbereiche gelten als Sicherheitsstufe eins. Für die Eins reicht Ihr Ausweis … ach so«, er griff in sein Jackett und holte eine Plastikkarte mit Magnetstreifen, Chip und Hologramm hervor. »Das ist Ihre. Sie wird
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