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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen
Autoren: Tess Gerritsen
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einziges Gewimmel zappelnder Körper und rudernder Arme und Beine.
    »Benehmt euch!« ermahnte Nadja. »Könnt ihr nicht still sein?
    Bis Riga haben wir eine lange Fahrt vor uns.«
    Die Jungen beruhigten sich. Einen Moment lang herrschte Stille auf dem Rücksitz. Dann sah Gregor, wie der Kleine mit den erwachsenen Augen seinen Nachbarn mit dem Ellenbogen knuffte.
    Darüber mußte Gregor lächeln. Kein Grund zur Besorgnis, dachte er. Sie waren schließlich doch bloß Kinder.

Zwei
    E s war Mitternacht, und Karen Terrio kämpfte dagegen an, daß ihr die Augen zufielen, kämpfte, den Wagen auf der Straße zu halten.
    Sie war jetzt seit fast zwei Tagen unterwegs. Direkt nach Tante Georginas Beerdigung war sie aufgebrochen und hatte seitdem keinen Halt gemacht, außer für ein kurzes Nickerchen oder einen Hamburger und Kaffee. Jede Menge Kaffee. Die Beerdigung ihrer Tante war zu einer verschwommenen Erinnerung verblaßt.
    Welke Gladiolen, namenlose Cousinen, lasche Sandwiches.
    Und Verpflichtungen, so verdammt viele Verpflichtungen.
    Jetzt wollte sie nur noch nach Hause.
    Sie wußte, daß sie besser noch einmal anhalten und ein kurzes Nickerchen machen sollte, bevor sie weiterfuhr. Aber sie war schon so nah, nur noch fünfzig Meilen von Boston entfernt.
    Beim letzten Dunkin Donuts hatte sie drei weitere Tassen Kaffee getankt. Das hatte geholfen, zumindest ein wenig. Der Koffeinschub hatte sie von Springfield bis Sturbridge gebracht, aber jetzt ließ seine Wirkung nach. Und obwohl sie sich wach fühlte, sackte ihr Kopf immer wieder nach vorne, und sie war eingeschlafen, sei es auch nur für eine Sekunde.
    In der vor ihr liegenden Dunkelheit lockte ein Burger-King-Schild. Sie verließ den Highway.
    Im Restaurant bestellte sie Kaffee und ein Blaubeer-Muffin.
    Um diese Nachtzeit saßen nur ein paar vereinzelte Gäste an den Tischen, und alle trugen die gleiche bläßliche Maske der Erschöpfung im Gesicht. Highway-Gespenster, dachte Karen.
    Es waren dieselben müden Seelen, die jede Raststätte des Landes zu bevölkern schienen. In dem Lokal war es unheimlich still. Jeder konzentrierte sich darauf, wach zu bleiben und wieder auf die Straße zu kommen.
    Am Nebentisch saß eine deprimiert aussehende Frau mit zwei kleinen Kindern, die beide stumm ihre Kekse kauten. Sie waren so blond und wohlerzogen, daß sie Karen an ihre eigenen Töchter erinnerten. Morgen hatten sie Geburtstag. Nur noch diese Nacht, in der sie schlafend in ihren Betten lagen, trennte sie davon, dreizehn zu sein. Einen Tag weiter entfernt von ihrer Kindheit.
    Wenn ihr aufwacht, dachte sie, bin ich zu Hause.
    Sie ließ sich ihren Pappbecher noch einmal mit Kaffee füllen, verschloß ihn mit einem Plastikdeckel und kehrte zu ihrem Wagen zurück.
    Nun fühlte sie sich ganz klar im Kopf. Sie konnte es schaffen.
    Nur eine Stunde und fünfzig Meilen, und sie stände vor ihrer Haustür. Sie ließ den Wagen an und verließ den Parkplatz.
    Fünfzig Meilen, dachte sie. Nur noch fünfzig Meilen.
    Zwanzig Meilen weiter parkten Vince Lawry und Chuck Servis hinter einem rund um die Uhr geöffneten Supermarkt und leerten ihr letztes Sixpack Bier. Seit vier Stunden tranken sie ohne Pause. Es war nur ein freundschaftlicher kleiner Wettbewerb, wer am meisten Budweiser vertrug, ohne alles wieder auszukotzen. Chuck war ein Bier im Vorsprung. Die Gesamtzahl hatten sie aus den Augen verloren; die mußten sie morgen früh ausrechnen, wenn sie die leeren Bierdosen auf dem Rücksitz zusammenzählten.
    Aber Chuck war auf jeden Fall im Vorsprung und prahlte auch damit, was Vince sauer machte, weil Chuck, verdammt noch mal, in allem besser war. Außerdem war es kein fairer Wettkampf. Vince hätte noch eine Runde geschafft, aber das Bud war alle. Und jetzt trug Chuck sein übliches selbstgefälliges Grinsen zur Schau, obwohl er wußte, daß es kein fairer Wettbewerb war.
    Vince stieß die Fahrertür auf und stieg aus.
    »Wo gehst du hin?« fragte Chuck.
    »Nachschub holen.«
    »Mehr schaffst du doch sowieso nicht.«
    »Du kannst mich mal«, erwiderte Vince und stolperte über den Parkplatz auf die Tür des Supermarkts zu.
    Chuck lachte. »Du kannst nicht mal mehr richtig laufen!« rief er aus dem Fenster.
    Arschloch, dachte Vince. Und ob er laufen konnte. Na also, das ging doch ganz prima. Er wollte einfach in den Laden schlendern und zwei weitere Sixpacks mitnehmen. Sein Magen war aus Eisen. Bis auf die Tatsache, daß er alle paar Minuten pissen mußte, spürte er nichts.
    Beim Betreten
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