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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
Autoren: Heide Fuhljahn
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beiden sind die häufigsten Symptome die sogenannten Flashbacks: Ausgelöst zum Beispiel durch einen Geruch oder ein Geräusch kommen schlagartig die Erinnerungen an das erlebte Grauen zurück und fühlen sich so an, als würde man es noch einmal durchmachen. Außerdem leiden viele Betroffene wiederholt an Albträumen, einer niedergedrückten Stimmung und einem andauernden Gefühl des Betäubtseins. Andere sind dagegen sehr schreckhaft; viele meiden Situationen, die sie an das Trauma erinnern könnten, und ziehen sich zurück. Es gibt keine speziell zugelassenen Medikamente gegen die PTBS , manchmal helfen Antidepressiva, Beruhigungsmittel oder Neuroleptika. Psychotherapeutisch können die Patienten mit jeder zu ihnen passenden Methode behandelt werden, oft werden kognitiv-behaviorale Verfahren gewählt. Die Behandlung dauert allerdings vielfach mehrere Jahre. Es gibt einige spezifische Therapien wie die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie ( PITT ), die von der Analytikerin Luise Reddemann entwickelt wurde. Dazu gehören Stabilisierungsübungen: Belastende Gefühle soll der Patient bewusst abspalten. Außerdem sollen die Patienten mithilfe von imaginierten Bildern (wie der innere sichere Ort) lernen, sich in einer Krise selbst zu beruhigen. Wie häufig PTBS in Deutschland vorkommen, ist nicht bekannt, wohl aber weiß man, dass sehr viele Menschen schon einmal ein Trauma erlebt haben. Es gibt aber erstaunlicherweise Betroffene, die Traumata relativ unbeschadet überstehen oder deren PTBS von selbst wieder vergeht.

Von schwertraurig zu federleicht – ein Blick in die weitere Zukunft
    N eulich habe ich nach langer Zeit mal wieder gelacht. Beim Sport. Die Hände schlug ich abwechselnd gegen den schwarzen Sandsack und trippelte gleichzeitig mit den Füßen. Neben mir ein erfolgreicher Wettkämpfer, sein Körper schnurrte wie eine Maschine. »Noch zehn Sekunden!«, schrie Rolf, der Trainer. »Neun!« Der Schweiß lief mir die Schläfen runter. Uff, wie anstrengend. Bewusst atmete ich aus, ein Trick, um durchzuhalten. »Zwei!«, übertönte die Stimme des Trainers die Musik aus den Lautsprecherboxen, »Feuer Frei« von Rammstein. »Eins!«
    Erleichtert blieb ich stehen. Da brüllte Rolf auch schon: »Liegestütze!« O nein! Musste das sein? Der David-Beckham-Typ neben mir verdrehte ebenfalls die Augen. Die perfekte Vorlage. Ich, dick und schnaufend, rief laut: »Na los, du Lusche. Oder kannst du nicht mehr?« Alle lachten. Als ich später unter der Dusche stand, lächelte ich noch immer. Wie herrlich, endlich einmal wieder fröhlich, frech, ausgelassen und albern zu sein. Diese Eigenschaften gehören ja auch zu mir – ich hatte sie fast vergessen.
    In den vergangenen sechs Jahren war die Depression mal schwerer, mal leichter. Weg war sie nie. Zwar stieg meine Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, aber ich war grundsätzlich traurig, fand alles anstrengend und fühlte mich maximal für einige Stunden unbeschwert. Heute ist das anders – doch ich habe mich noch nicht daran gewöhnt. Wenn ich aufwache, habe ich nach wie vor wenig Lust aufzustehen, aber es liegt kein Felsen mehr auf meiner Brust. Duschen finde ich weiterhin nervig, aber es kommt mir nicht mehr so vor, als sollte ich zehn Stockwerke zu Fuß hochgehen. Putze ich das Bad, stelle ich hinterher verblüfft fest: Das war ja ganz einfach. Manchmal lackiere ich mir sogar die Nägel.
    Dass ich nicht mehr depressiv bin, verdanke ich meinen Freunden, der Therapie und den Medikamenten. Und einem Grund, der fürchterlich esoterisch klingt: Ich habe gelernt, mich so anzunehmen, wie ich bin.
    An einem Sonntagabend Ende August 2012 lief ich um die Hamburger Außenalster. Bei 28 Grad. Hitze vertrage ich schlecht, aber ich musste etwas für die Gesundheit tun, und abnehmen wollte ich auch. Schon nach den ersten Metern stieg in mir das Gefühl hoch: Ich kann nicht mehr. Also versuchte ich, mich per Kopfhörer zu motivieren: Erst durch Linkin Parks »Faint«, dann mit »All I Want For Christmas Is You«von Mariah Carey. Beides half nicht. Mein Herz klopfte heftig, jeder Schritt schmerzte, mir war schwindelig. Schließlich musste ich anhalten. Seit über zehn Jahren laufe ich, bei Regen, Schnee und Sturm, abgebrochen hatte ich noch nie. Nun saß ich auf einer Parkbank im Dunkeln und heulte. Hätte ich ein Handy
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