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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
Autoren: Heide Fuhljahn
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Sorgen zu machen, vorsichtig zu sein, vor etwas Angst zu haben, gehört zum Leben dazu und ist keine Krankheit. Wir gehen nur bei Rot über die Ampel, wenn wir vorher nach rechts und links geschaut haben, lassen uns impfen, meiden Gruppen von betrunkenen Randalierern. Menschen mit Angsterkrankungen fürchten dagegen meistens Dinge und Situationen, vor denen man keine übertriebene Angst haben muss: Fahrstühle, Spinnen, Flugzeugabstürze oder Menschenmassen.
    Bei der Panikstörung wiederum treten Panikattacken auf. Die kommen meist aus heiterem Himmel und sind nicht an bestimmte Zustände oder Ereignisse gebunden. Körperlich zeigen sie sich durch Symptome wie Herzrasen, Atemnot, Zittern, Schwindel, Schwitzen, Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit oder Beklemmungen in der Brust. Seelisch fühlt man sich, als ob man stirbt. Es ist der totale Ausnahmezustand. Wer zum ersten Mal eine solche Attacke hat, geht deshalb oft zum Arzt, weil er einen Herzinfarkt, einen Gehirntumor oder eine andere schlimme Krankheit vermutet. Es ist nicht sehr hilfreich, wenn Neurologen (Kopfschmerz, Schwindel), Kardiologen (Brustschmerz, Atemnot) oder Gastroenterologen (Magen-Darm, Übelkeit) dann etwas sagen wie: »Sie sind völlig gesund.« Nur weil dem Patienten oder der Patientin körperlich nichts fehlt, heißt das nicht, dass die Ursache ihres Problems nicht eine seelische Erkrankung sein kann – und die ist genauso ernst zu nehmen wie eine körperliche.
    Bei den Phobien ist die soziale Phobie am meisten verbreitet. Dabei fürchten sich Menschen vor Begegnungen: Bei einer Präsentation tritt die Angst auf, sich zu verhaspeln, auf einer Party, sich durch das, was man sagt, lächerlich zu machen, in einer beginnenden Romanze, durch ungeschicktes Verhalten aufzufallen. Das kann so weit gehen, dass jemand sich ganz und gar von anderen isoliert. Nur ein kleiner Prozentsatz der Betroffenen nimmt überhaupt psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch. Bei 90 Prozent der Frauen, die an einer sozialen Phobie leiden, liegt außerdem eine Depression vor. 55
    Alle Angsterkrankungen haben gemeinsam, dass die Befürchtungen, die sich die Betreffenden machen, in keinem Verhältnis zu der drohenden Gefahr stehen. Die Ängste sind in der Regel überzogen und unrealistisch. Die Ursachen sind, wie bei den meisten psychischen Erkrankungen, multifaktoriell. Da die persönliche Belastung bei allen Angsterkrankungen aber sehr groß ist, versuchen Betroffene, Situationen zu vermeiden, in denen die Angst auftreten könnte. An diesem Punkt setzt die kognitiv-verhaltenstherapeutische Psychotherapie an, mit der Ängste normalerweise behandelt werden. Sie ist gut untersucht und hilft in den meisten Fällen, bei über 70 Prozent. 56 Die Patienten werden unter anderem immer stärker mit der Angst auslösenden Situation konfrontiert. Sie lernen, ihre belastenden Gefühle auszuhalten, und machen die Erfahrung, dass nichts Schlimmes passiert. Aber auch andere Behandlungsformen wie die psychodynamische Therapie helfen. Ergänzend können auch bestimmte Antidepressiva, die angstlösend wirken, gegeben werden. Hilfreich sind auch Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Biofeedback oder die Progressive Muskelentspannung (siehe Serviceteil, Seite 293).
    Süchte
    Alkohol, Drogen, Tabletten – mehr noch als um die Menge geht es bei all diesen Substanzen darum, ob man sie braucht, um sich entspannt, locker, selbstbewusst, ruhig, ausgeglichen oder glücklich zu fühlen. Denn nahezu alle Suchtstoffe haben gemeinsam, dass sie gute bis sensationelle Gefühle erzeugen und damit den Wunsch, diese wieder und wieder zu genießen. Denn sie wirken auf das komplexe Neurotransmittersystem im Gehirn, vor allem auf das körpereigene Belohnungssystem. Alle Drogen und Opiate beeinflussen dieses von Medizinern mesolimbisch genannte System. Dort wird die Ausschüttung des Dopamins, ein Botenstoff, der umgangssprachlich als »Glückshormon« betitelt wird, direkt oder indirekt erhöht. Das Dopamin spielt grundsätzlich bei jedem Gefühl der Freude – wie beim Essen, beim Sex und bei der Liebe – eine große Rolle. Weil positive Emotionen so angenehm sind, entwickelt sich schnell ein Verlangen nach mehr (Craving).
    Die häufigste Sucht ist die nach Zigaretten, sie wird jedoch in der Regel nicht psychiatrisch behandelt, anders als die nach Alkohol, Drogen und
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