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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
Autoren: Heide Fuhljahn
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verfolgt von Dämonen und Ängsten, dass etwas Schlimmes passiert, wenn sie es nicht tun. So wie ich riesengroße Furcht davor hatte, im Job einen Fehler zu machen. Mir war klar, dass mein Verhalten an Besessenheit grenzte. Aber ich konnte es nicht lassen. Es ist typisch für Zwangspatienten, dass sie rational wissen, dass ihre Handlungen übertrieben sind, trotzdem fühlen sie sich gezwungen, sie weiterhin auszuüben. Ich hatte das Glück, dass meine Zwänge den Alltag zwar kompliziert, aber nicht unmöglich gemacht haben. Manche sind so in ihnen gefangen, dass sie ihren Job verlieren oder ihr normales Lebenspensum nicht mehr schaffen.
    Die Ursachen von Zwängen sind nicht genau bekannt, auch hier gehen die Experten von verschiedenen Erklärungsansätzen aus, biopsychosoziale Gründe spielen wohl eine Rolle. Die Zwänge dienen dazu, bestimmte Ängste oder Ekelgefühle oder unberechtigte Sorgen – auf mystische Weise könnte jemand zu Schaden kommen, wenn diese oder jene Handlung nicht ständig ausgeführt wird – nicht aushalten zu müssen. Genau das lernt man dann in der Psychotherapie. Besonders die Verhaltenstherapie ist dabei sehr wirksam. Auch Antidepressiva werden häufig unterstützend gegeben. Zwangsstörungen gehen sehr oft – zwischen 25 und 75 Prozent – mit Depressionen, Persönlichkeitsstörungen und Ängsten einher. 52 Was wieder zeigt, wie komplex Depressionen sind.
    Ã„ngste
    Â»Sind Sie okay mit mir?«, fragte ich Dr. Weston. Sorgenvoll suchte ich in seinem Gesicht nach einem Zeichen von Zuwendung.
    Er antwortete: »Ja, es ist alles in Ordnung. Zweifeln Sie daran?«
    Ob ich zweifelte? Ich erstickte an meiner Panik, mein Herz raste, meine Hände waren nass, das Atmen fiel mir schwer. Am liebsten hätte ich geschrien: »Hilfe! Hilfe!« In dieser Situation war ich schon hundertmal gewesen, und trotzdem packte mich die Angst jedes Mal wieder und schnürte mir die Luft ab. Würde ich ihm offen sagen, wie ich mich fühlte, hätte ich erwidert: »Bitte, seien Sie wieder gut mit mir.« Stattdessen sagte ich: »Ja, ich könnte mir vorstellen, dass Sie enttäuscht von mir sind, wenn ich zu Ihnen sage, dass ich das Gefühl habe, Sie verstehen mich nicht. Und ich habe Angst, dass Sie sich deswegen von mir abwenden könnten.«
    Â»Mich würde interessieren, was an mir bei Ihnen die Sorge auslöst, ich könnte enttäuscht sein.«
    Mein Leben lang habe ich schon Angst – und zwar vor allem Möglichen. Früher fürchtete ich mich hauptsächlich vor meinem Vater. Aber auch davor, allein im Dunkeln zu sein. Heute reicht schon der Verkehr auf der Straße: Was, wenn ich mit einem Fahrrad zusammenstoße, weil ich als Fußgängerin nicht gut genug aufgepasst habe? Mein Kontoauszug treibt regelmäßig meinen Puls in die Höhe: O Gott, schon wieder im Dispo, bald werde ich Privatinsolvenz anmelden müssen. Wenn ich meine Tabletten absetzen soll, befürchte ich, dass ich in eine Psychose rutsche. In Beziehungen graut es mir ständig davor, dass jemand sauer auf mich ist oder mich nicht mehr mag. Jahrelang war das Verhältnis zu meinem Therapeuten von dieser Panik bestimmt.
    Neben all den erwähnten Erkrankungen leide ich auch an einer sogenannten generalisierten Angststörung. Sie gehört wie die Panikstörung oder Phobien zur Gruppe der Angsterkrankungen. Diese sind die häufigsten psychischen Krankheiten, 15 bis 20 Prozent der Deutschen leiden im Lauf ihres Lebens mindestens einmal daran. Frauen erkranken zwei- bis dreimal häufiger daran als Männer. 53 Das beginnt schon im Jugendalter: Auch Mädchen müssen zwei- bis viermal häufiger eine Angststörung durchstehen als Jungen. Hausfrauen haben, das haben Studien gezeigt, ein zweieinhalbmal so großes Risiko, an einer generalisierten Angststörung zu erkranken, wie berufstätige Frauen. Bei der generalisierten Angststörung machen sich die Betroffenen andauernd Sorgen, zum Beispiel um ihre Ehe, den Job, die Eltern oder das Einkommen. Sie grübeln ohne Unterlass. 85 Prozent der Patienten leiden außerdem an einer Depression. Und wer unter Ängsten leidet, ist zudem anfälliger für Suchterkrankungen. 54
    Mit Ängsten ist es wie mit den Persönlichkeitsstörungen: Kritisch wird es erst, wenn man selbst deutlich darunter leidet oder andere darunter leiden müssen. Sich
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