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Kaiserhof Strasse 12

Kaiserhof Strasse 12

Titel: Kaiserhof Strasse 12
Autoren: Valentin Senger
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den Schnaps vorenthalten wollen. Mit dem Knie stieß er mich in den Bauch und wieder schlug er mich mit dem Kopf gegen den Rahmen. Der Kleine mit der Hasenscharte richtete, wie um meine Gegenwehr zu verhindern, seine Maschinenpistole auf mich und trat mir fest gegen das Schienbein. Es tat fürchterlich weh.
    Der schlägt mich tot, zuckte es mir durch den Kopf. Ich sackte zusammen. Da ließ er von mir ab. Mit einem gezischten »Fuckin' German!« stieß er mich zu Boden. Der Kleine trat mir noch mit der Fußspitze in die Nierengegend, daß ich laut aufschrie. Danach kümmerte sich keiner mehr um mich.
    Mit Schmerzen im Kopf und im Rücken taumelte ich nach draußen, vorbei an den drei Frauen und dem Möbelfabrikantensohn, die in der geöffneten Garageneinfahrt standen. Sie hatten die Szene beobachtet.
    Die Generalsfrau, die mit den weißen Haaren, faßte mich am Arm und fragte: »Kann ich Ihnen helfen? Sind Sie verletzt?«
    Das Blut tropfte mir aus der Nase, ich wischte es mit dem Handrücken ab. Ein Soldat mußte mich mit dem Stiefel oder dem Gewehrkolben am Steißknochen getroffen haben. Das tat am meisten weh. Ich schleppte mich noch bis zur Treppe. Dann verlor ich das Bewußtsein.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Sofa im Wohnzimmer. Jemand hatte mir die Schuhe ausgezogen und eine Decke übergelegt. Frau S. bemühte sich um mich, gab mir zu trinken und legte mir ein feuchtkaltes Tuch auf den Kopf. Die Amerikaner waren bereits abgefahren.
    Ich starrte die Decke an und erinnerte mich langsam an das, was geschehen war. In welch eine Situation war ich geraten! Ich hatte nicht gezählt, wie oft ich in den letzten zehn Jahren durch eine seltsame Häufung von Zufällen der Entdeckung und damit dem Tod entkommen war. Und das alles, damit ich jetzt von den Amerikanern totgeschlagen würde, weil die drei Frauen gehortete Lebensmittel und einige Flaschen Schnaps vor ihnen versteckt hatten.
    Während ich mir noch den benommenen Schädel hielt und in die Sonne blinzelte, beschloß ich, so schnell wie möglich die Jagdhausgesellschaft zu verlassen.
     

Mit der Axt unterm Kopfkissen
    Zuerst kamen nur zwei Mann. Die beiden Polen umkreisten das Haus, schauten sich alles genau an, kamen dann herein, fragten, ob amerikanische Soldaten im Haus seien, und verlangten Lebensmittel. Frau S. gab ihnen Wurst, Brot und zwei Büchsen Konserven. Scheinbar zufrieden zogen sie wieder ab. Aber wir hatten allen Grund, unruhig zu sein. Das Verhalten der beiden Polen war gar zu auffällig, ihre Neugierde zu groß. Wir wußten, sie würden wiederkommen - und nicht nur zu zweit. Wir machten das Haus dicht, so gut es ging, verschlossen die Außentüren, verbarrikadierten alle Zugänge und überprüften die Fenster im Erdgeschoß. Danach wurden wir zwei Männer aus der oberen Schlafkammer nach unten verlegt, in das dem Eingang nächstliegende Zimmer. Und noch ein übriges tat Frau S., sie übergab jedem von uns eine Axt. Wir sollten sie unters Kopfkissen legen, um uns zu verteidigen, wenn nachts die Polen kämen.
    Mir eine Axt! Damit auf einen Menschen einzuschlagen! Welch eine unmögliche Vorstellung! Wer mit einer Axt unterm Kopf einschlafen kann, muß stählerne Nerven haben. Daß die Polen in der Nacht kommen könnten, beunruhigte mich sehr, was aber meine Unruhe noch steigerte, war die Vorstellung, mich mit der Axt verteidigen zu müssen. Eher hätte ich mich mit einer Axt erschlagen lassen als selbst eine zu gebrauchen.
    Mit den Fingern tastete ich unter das Kopfkissen, um zu fühlen, wie scharf eigentlich die Schneide war. Nicht sonderlich scharf, stellte ich etwas beruhigt fest, und voller Scharten, wie eine ganz gewöhnliche Axt, mit der man täglich Holz hackt.
    Etwas später griff ich wieder unters Kissen, weil mir der Axtstiel in die Schultern drückte. Drehte ich den Kopf auf die linke Seite, drückte das stumpfe Ende auf mein Ohr und der Stiel gegen die Halsschlagader. Ganz unerträglich war es, wenn ich mich so weit zur Bettkante drehte, daß ich die Axt überhaupt nicht mehr spürte.
    Plötzlich hatte ich den Gedanken, die gleiche Klinge, die fünf Zentimeter von meinem Hals entfernt zwischen Kopfkissen und Matratze eingeklemmt war, könnte mir den Kopf vom Hals trennen. Warum eigentlich nicht?
    Mein ganzer Körper war schweißbedeckt.
    Ich hielt es nicht mehr aus, zerrte die Axt unter dem Kopfkissen hervor und stellte sie neben die Bettlade. Das machte mich etwas ruhiger. Erschöpft und übermüdet fiel ich in einen unruhigen
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