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Kaiser des Mars

Kaiser des Mars

Titel: Kaiser des Mars
Autoren: Lin Carter
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verlassen und werden nie wieder zurückkehren dürfen …
    Ich drängte meine Tränen zurück, denn dieser Sieg war vollständiger als jener, von dem ich geträumt hatte. Und jetzt würde es sogar ein unblutiger Sieg sein. Wir sahen zu, wie die Zeitlosen eine weitere der geheimnisvollen Maschinen aktivierten, die glitzernd inmitten der Schatten stand. Es war ein hoher, nach oben zulaufender Zylinder aus klarem Kristall, wie eine riesige Glasröhre, aber höher als ein Mann. Wieder erklang das Lied des Sistrums, und Ringe aus blauem Licht hoben sich durch die Kristallröhre und verschwanden ganz oben.
    Ein Schatten zog über die Bildmaschine – die Szene wechselte – und wir blickten auf die Straßen einer der Kolonien, Laestrygonum, so, als schwebten wir am Himmel, über dem undeutlichen, halbkugelförmigen Schimmer des MPB-Feldes.
    Die Nacht lag tief und schwarz über der Kolonie; die Straßen waren von Schatten erfüllt. Aber durch jene Straßen trottete mechanisch eine Horde mit leeren Gesichtern. Unsere Perspektive veränderte sich, und wir sahen ein Meer weißer Gesichter, so leer wie die Gesichter geistloser Zombies. An den Uniformen erkannten wir, daß der Mob aus Beamten der Kolonialadministration, Polizisten und Bürokraten bestand.
    Aus allen Richtungen zogen sie durch die finsteren Straßen, und ihr Ziel war die Traktorzugstation, die zum Raumhafen führte. Wieder wechselte die Szene, und wir sahen die Silhouette der Satelliten-Shuttle auf der Landefläche, sahen, wie lange Reihen von Erdenmenschen ins Innere des Schiffes drängten. Und jedesmal, wenn eine Shuttle voll war, stieg sie mit flammenden Düsen auf und flog dem Deimos entgegen, wo die Raumschiffe anlegten, die zur Luna und zur Erde flogen.
    Die Erdenmenschen hatten bereits begonnen, den Mars zu verlassen. Es war ein erstaunlicher Anblick.
    Wieder wechselte die Szene der Jadescheibe, und wir sahen ähnliche Bilder in Syrtis, Sun Lake City, Charontis, Christoffsen Port, Propontis und den übrigen zwölf Kolonien.
    Erdenmenschen mit leeren Gesichtern und toten Augen – zu Tausenden! – kehrten zu der fernen Welt zurück, die sie hierhergeschickt hatte, um den Mars auszuplündern und zu versklaven! Es war ein phantastischer Anblick, und mein Herz schlug schneller.
    Aber der Junge Chaka begriff als erster die ganze Auswirkung des Exodus. Er hatte das offensichtlich erkannt, während wir anderen uns noch um die schimmernde Linse der Bildmaschine drängten und die Bilder in uns aufnahmen, die sie uns zeigte.
    »Lords – ihr Großen!« rief er mit schriller Stimme. »Was ist mit dem Jamad? Wenn es eure Entscheidung ist, daß alle F’yagha nach Hause zurückkehren müssen und es dem Volk überlassen, ihre eigene Welt zu beherrschen – muß er uns auch verlassen?«
    Ich erschrak; offengestanden hatte ich überhaupt nicht daran gedacht, daß der strenge Spruch der Zeitlosen für mich gelten würde. Plötzlich erkannte ich, daß es so sein konnte – sein mußte!
    Alle Kinder der Erde müssen diese Welt verlassen, wenn überhaupt welche gehen sollen … Denn eine Ausnahme in einem Gesetz zu machen, heißt, seine Wirksamkeit und seine Gerechtigkeit zu zerstören. Zuerst muß der Jamad die Krone in die Hände eines anderen weitergeben und das Ritual aussprechen, womit die Souveränität übertragen wird … Dann muß auch er zu seinem Heim zurückkehren …
     
    Meine Freunde starrten mich wortlos an. Kraa war besorgt, Huw verstört. Aber Kuruk, ebenso wie der Junge, war den Tränen nahe, aber nicht bereit aufzugeben.
    Plötzlich wallte etwas in mir auf. Ich trat vor und hob die Hand vor den dreien, die in dem mit Diamantenstaub durchsetzten Bernsteinnebel schwebten.
    »Hört mich, ihr Zeitlosen!« rief ich. »Ihr macht einen Fehler – ihr, die ihr von Brüderschaft redet, laßt euch auch vom Aberglauben verblenden! Laßt mich sprechen!«
    Dann sprich! Wir werden zuhören und – urteilen!
    Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben, zwang mich, meine Gedanken zu ordnen.
    »Wenn alle vernunftbegabten Rassen Brüder sind, trotz äußerlicher Unterschiede und Sprache, Farbe oder Glauben, dann, so frage ich euch – ist dann nicht der Planet ihrer Geburt auch nur ein oberflächliches Unterscheidungsmerkmal? Ist ein Mensch nicht immer ein Mensch, ob er nun auf dem Mars oder der Erde geboren ist?«
    Was willst du damit sagen?
    »Daß es nach Vernunft, Logik und wahrer Gerechtigkeit nichts gibt, was die Menschen voneinander unterscheidet. Daß es wahrhaft keinen
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