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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben
Autoren: Charlotte Lyne
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hier, um Euch auf Befehl des Königs zu verhaften und nach London zu verbringen, aber natürlich lässt sich über alles reden. Wenn Ihr allerdings vor meinen Augen einen Baron von England mordet, gibt es kein Reden mehr, dann sind Eure Tage gezählt.«
    Matthew griff wieder nach seinem Schwert, aber Adam winkte ab und klopfte ihm den Arm, ehe er sich dem anderen zuwandte. »Spar dir dein Salbadern, Montfichet«, sagte er. »Habe ich dir nicht schon einmal erklärt, dass es Dinge gibt, die unverkäuflich sind? Dieses teure Paradies von einer Insel, der Stolz eines Mannes und das Herz einer Frau. Manchmal sogar die Liebe, mein Bübchen.«
    Er wandte sich wieder zurück und versetzte Matthews Schulter einen Klaps. »Dass ich meine süße Tochter gern selbst gehütet hätte, fällt mir leider ein bisschen spät ein, aber wenn ich es dir überlasse, erwarte ich, dass du es ordentlich tust. Sie ist eine Kostbarkeit, hast du verstanden? Die letzte Erbin der de Redvers und Adam de Strattons einzige Tochter. Wenn du nicht gut zu ihr bist, verfolge ich dich aus der Hölle, und diesmal höre ich nicht früher auf.«
    Im gleichen Atemzug förderte er unter seiner eleganten Robe sein Obstmesser zutage, trat an Matthew vorbei und schnitt Cyprian de Camoys die Kehle durch. Anschließend warf er das Messer beiseite und ging ruhigen Schrittes hinüber zu dem Mann, der Montfichet hieß. »Lasst ihn los«, sagte er zu den Wachen. »Und seine Männer lasst auch los, fangt ihre Pferde ein, und holt mir meinen Rappen. Der kleine Gernegroß sagt, er ist meinetwegen hier. Wenn ich mit ihm gehe, seid ihr ihn los, und einmal muss selbst das schönste Spiel zu Ende sein.«
    Die Wachen gaben Montfichet frei, und Adam hielt ihm die an den Gelenken gekreuzten Hände hin.
    »Adam!«, schrie Isabel.
    Über Adams Gesicht zog sich ein Lächeln, dem man ansah, warum er trotz all seiner Untaten seine Epoche bezaubert hatte. »Ich liebe dich, meine Herrin der Insel«, sagte er. »Der Mann, der dich in den Armen halten durfte, und wenn er der dreckigste Hund der Hölle war, hat das Torhaus zum Himmel erblickt.«
    Durch den Abzug von Montfichets Mannen entstand einiger Tumult. Die Reste des Feuers wurden gelöscht, die aufgescheuchte Hühnerschar wurde eingefangen und das dem Brand entronnene Milchmädchen versorgt. Aufrecht und ohne eine Miene zu verziehen, befehligte Isabel das Geschehen. Sie rief Knechte herbei, die Krüge voll Wasser für die völlig entkräfteten Kämpfer brachten, ließ schwelende Reste des Feuers löschen und aufgescheuchtes Federvieh einfangen.
    Der prächtige Stephen riss sich Helm und Schulterstücke herunter und schüttete sich den Inhalt eines Kruges über den Kopf. Dann kam er schleppend und schnaufend, aber mit strahlendem Lächeln herüber und zog Amicia aus Vyves Armen in die seinen. »Mistress Amicia!«, jubelte er. »Geht es Euch gut? Ihr glaubt nicht, wie oft ich mit meiner Mutter über Euch spreche.«
    Seine Mutter war Dolasilla. Die Alpenländerin.
    Wenn ein schöner Mann lange fortbleibt und ein schönes Mädchen von Tag zu Tag trauriger wird, dann kennt den Grund dafür mein dümmstes Huhn.
    »Muss ich dich auch wie einen Herrn ansprechen, jetzt wo du ein Ritter geworden bist, oder sagst du zu mir wieder Du?«, fragte sie.
    »Und ob!«, jubelte Stephen und hob sie in die Höhe, nur um sie gleich darauf prustend wieder abzustellen. Die Anstrengung des Kampfes hatte ihn sichtlich mehr Kraft gekostet, als er sich eingestehen mochte.
    »Geh, lass dir Wein geben«, sagte Amicia. »Wenn es sich einer verdient hat, dann du.«
    Stephen beugte sich über ihre Hand und küsste sie. Während er seinen langen Leib wieder straffte, suchte er ihren Blick. Mit einem Schwenk des Kopfes wies er über den Hof zu der Stelle, an der die Leiche von Cyprian de Camoys lag. Neben dessen Kopf war Matthew auf die Knie gegangen. Ob aus Erschöpfung oder um seinem Vater Ehre zu erweisen, würde niemand erfahren. An seiner Seite lag der Hund, den großen Kopf zwischen den Pfoten vergraben. »Was immer er dir getan haben mag«, sagte Stephen, »lass ihn bitte nicht noch länger dafür büßen.« Dann küsste er ihre Hand ein zweites Mal und ging.
    Was immer er ihr getan haben mochte. Er hatte ihr verschwiegen, was er offenbar während der Wochen im Tower erfahren hatte – dass sein Vater die Schuld am Tod ihres Bruders trug und dass er dabeigestanden hatte, machtlos, von zwei Männern gehalten, zu nichts fähig als zum Schreien. Obwohl er ihr
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