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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand
Autoren: Haruki Murakami
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nehme Abschied von den beiden.
    »Lebt wohl.«
    Sie stehen auf, schlagen die Hacken zusammen und salutieren. Ich werde sie nie Wiedersehen. Das weiß ich, und sie wissen es auch. So trennen wir uns.
     
    ***
     
    Ich entsinne mich kaum noch, wie ich anschließend zu Oshimas Hütte zurückgelangt bin. Es kommt mir so vor, als hätte ich, während ich den tiefen Wald durchquerte, die ganze Zeit an etwas ganz anderes gedacht. Aber ich verlor den Weg nicht aus den Augen. Ich erinnere mich dunkel, dass ich unterwegs meinen Rucksack fand, den ich auf dem Hinweg abgeworfen hatte, und ihn beinahe instinktiv aufhob. Ebenso fand ich auch den Kompass, das Beil und die Dose mit der Farbe wieder. Ich erinnere mich auch noch, wie die gelben Zeichen auftauchten, die ich an den Baumstämmen am Wegrand angebracht hatte. Sie sahen aus wie von einer riesigen Motte hinterlassener Flügelstaub.
    Ich stehe auf dem Platz vor der Hütte und schaue in den Himmel. Die lebhaften Geräusche der Natur erfüllen die Umgebung, Vogelstimmen, das Murmeln des Baches, das Rascheln von Blättern im Wind – alles ganz gewöhnliche Geräusche. Aber mir erscheinen sie plötzlich so frisch und vertraut, als seien mir gerade Pfropfen aus den Ohren gezogen worden. Obwohl sich alle Töne verbinden und mischen, kann ich jeden Einzelnen deutlich unterscheiden. Ich sehe auf die Uhr an meinem linken Handgelenk. Die Zeiger bewegen sich unmerklich. Auf der grünen Anzeige blinken, sich immerfort ändernd, die Digitalzahlen, als sei nichts gewesen. Im Moment ist es 16 Uhr 16.
    Ich gehe in die Hütte und lege mich in Kleidern aufs Bett. Nach meinem Marsch durch den Wald sehnt sich mein Körper nur noch nach Ruhe. Ich lege mich auf den Rücken und schließe die Augen. Eine Biene ruht sich auf der Fensterscheibe aus. Im Morgenlicht schimmern die Arme des Mädchens wie Porzellan. »Nur zum Beispiel « , sagt sie.
    Durch ihre schlanken Finger rinnt der schneeweiße Sand der Zeit. Leise rauschen die Wellen. Sie schwellen an, überschlagen sich und brechen. Schwellen an, überschlagen sich und brechen. Und mein Bewusstsein wird in einen dämmrigen Korridor gesaugt.

48
    »Mich trifft der Schlag«, wiederholte Hoshino.
    »Ach was«, sagte die schwarze Katze gleichgültig. Sie hatte ein breites Gesicht und sah schon recht betagt aus. »Langweilst du dich nicht, so ganz allein? Wenn du den ganzen Tag mit dem Stein sprichst.«
    »Aber wieso sprichst du die Menschensprache?«
    »Ich spreche nicht die Sprache der Menschen.« s »Versteh ich nicht. Wie können wir uns dann unterhalten, ein Mensch und eine Katze?«
    »Wir stehen an der Grenze der Welt und sprechen eine gemeinsame Sprache.«
    Der junge Mann war verblüfft. »Grenze der Welt? Gemeinsame Sprache?«
    »Dann verstehst du’s eben nicht. Es zu erklären würde zu lange dauern.« Die Katze bewegte, wie um abzuwinken, mehrmals kurz den Schwanz.
    »Du bist nicht möglicherweise Colonel Sanders, oder?«, fragte der junge Mann.
    »Colonel Sanders?«, fragte die Katze angeekelt. »Den Kerl kenne ich nicht. Ich bin niemand anders. Ich bin eine ganz bürgerliche Katze.«
    »Hast du einen Namen?«
    »Ja.«
    »Wie heißt du?«
    »Toro«, sagte die Katze zögernd.
    »Toro? Wie für Sushi 2 ?«, fragte Hoshino.
    »Ganz recht«, sagte die Katze. »Ehrlich gesagt, ich gehöre zu einer Sushi-Bar hier in der Nähe. Sie haben auch einen Hund. Er heißt Tekka. 3 * «
    »Und woher kennst du meinen Namen?«
    »Du bist sehr berühmt, Hoshino«, sagte Toro, der Kater, und lächelte endlich. Es war das erste Mal, dass Hoshino eine Katze lächeln sah. Aber Toros Lächeln verschwand sofort, und er setzte wieder seine ernste Miene auf.
    »Katzen wissen alles. Dass Nakata gestern gestorben ist und dass da drinnen der bedeutende Stein liegt. In dieser Gegend geschieht nichts ohne mein Wissen, denn ich lebe schon ziemlich lange.«
    »Hm«, machte Hoshino beeindruckt. »Findest du so ein Gespräch zwischen Tür und Angel nicht ungemütlich? Möchtest du nicht reinkommen, Toro?«
    Der Kater blieb auf dem Geländer sitzen und schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich sitze lieber hier. In geschlossenen Räumen fühle ich mich nicht so wohl. Das Wetter ist auch gut. Wollen wir uns nicht lieber hier draußen unterhalten?«
    »Ist mir auch recht«, sagte der junge Mann. »Hast du keinen Hunger? Ich hätte was zu essen für dich.«
    Toro schüttelte den Kopf. »Leider kann ich beim Essen nicht so, wie ich will. Ich muss abnehmen. Von dem vielen Sushi ist mein
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