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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand
Autoren: Haruki Murakami
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in Bewegung ist, ist es vielleicht nicht ganz so gefährlich«, sagte die Katze. »Nur wenn es sich nicht bewegt, wird es gefährlich. Sehr gefährlich. Deshalb darfst du es nicht entkommen lassen, solange es sich bewegt. Dann musst du es erledigen.«
    » Vielleicht nicht ganz so gefährlich?«, fragte Hoshino.
    Darauf gab der schwarze Kater keine Antwort. Er kniff die Augen zusammen und erhob sich träge, nachdem er sich ausgiebig auf der Balkonbrüstung gestreckt hatte. »Also dann, kleiner Hoshino. Du musst das Ding unter allen Umständen töten. Sonst kann Nakata, auch wenn er tot ist, nicht richtig sterben. Du hast Nakata doch gern gehabt?«
    »Ja, er war ein guter Mensch.«
    »Also töte das Vieh. Nimm allen Willen und Mut zusammen und erledige ihn. Das ist Nakatas Wunsch. Tu es für ihn. Führe seine Aufgabe fort. Bis jetzt bist du im Leben aller menschlichen Verantwortung ausgewichen, jetzt zahlst du diese Schuld zurück. Du wirst nicht versagen. Ich unterstütze dich moralisch.«
    »Sehr beruhigend«, sagte Hoshino. »Aber da fällt mir was ein.«
    »Was denn?«
    »Wird dieses Ding nicht vielleicht davon angelockt, dass der Stein nicht vor dem Eingang liegt und der noch offen ist?«
    »Könnte sein«, sagte Toro gleichmütig. »Ach, und Hoshino, eins hab ich noch vergessen. Das Ding bewegt sich nur nachts. Wahrscheinlich tritt es irgendwann tief in der Nacht in Aktion. Deshalb solltest du dich tagsüber gründlich ausschlafen. Es wäre schlimm, wenn du die Sache verpennen würdest.«
    Geschmeidig sprang die schwarze Katze vom Geländer auf das Nachbardach und stolzierte mit hoch erhobenem Schwanz darauf entlang. Im Verhältnis zu seiner Körpermasse war Toro, der Kater, sehr leichtfüßig. Der junge Mann schaute ihm vom Balkon aus nach. Toro blickte sich nicht ein einziges Mal um.
    »Du meine Güte«, sagte Hoshino. »Das ist ja ein Ding.«
     
    Als Toro verschwunden war, ging Hoshino in die Küche und suchte erst mal nach einer geeigneten Waffe. Es gab ein spitzes, scharfes Sashimi-Messer und ein schweres Küchenbeil. Ansonsten gab es nur einfache Küchengeräte, aber Messer waren verschiedene vorhanden. Außer dem Küchenbeil fand er noch einen großen, schweren Hammer und ein Nylonseil. Und einen Eiszerkleinerer.
    Ein automatisches Gewehr wäre hilfreich, dachte er, während er die Küche durchstöberte. Immerhin hatte er bei den Selbstverteidigungsstreitkräften den Umgang mit Automatikgewehren gelernt und bei Schießübungen sogar stets recht gut abgeschnitten. Natürlich gab es in der Küche keine automatischen Feuerwaffen. Was gäbe das auch für einen Lärm, wenn er in einem ruhigen Wohngebiet wie diesem herumballern würde.
    Hoshino reihte das Messer, das Küchenbeil, den Eiszerkleinerer, den Hammer und das Seil auf dem Wohnzimmertisch auf. Eine Taschenlampe legte er auch dazu. Dann setzte er sich neben den Stein und streichelte ihn.
    »Meine Güte«, sagte er zu dem Stein, »ist das denn zu fassen? Ich soll mit Hammer und Küchenbeil gegen irgend so ein unfassbares Ding kämpfen? Nach Anleitung einer schwarzen Katze aus der Nachbarschaft. Versetz dich doch mal in meine Lage!«
    Der Stein gab natürlich keine Antwort.
    »Das Ding ist vielleicht gefährlich, sagt Toro. Auch noch vielleicht. Das ist doch nichts weiter als eine beschönigende Prognose. Und was soll ich machen, wenn dann irrtümlich so ein Vieh daherkommt wie aus Jurassic Park? Dann sehe ich alt aus.«
    Stille.
    Hoshino nahm den Hammer und hieb mehrmals in die Luft.
    »Im Nachhinein betrachtet, kann das nur Schicksal sein. Als ich Nakata am Rastplatz Fujikawa mitgenommen habe, war alles schon vorherbestimmt. Ich war wieder mal der Einzige, der keine Ahnung hatte. Das Schicksal geht seltsame Wege«, sagte Hoshino. »Stimmt’s, Stein? Findest du doch auch, oder?«
    Schweigen.
    »Na ja, da kann man eben nichts machen. Wie man es dreht und wendet, es ist der Weg, den ich selbst gewählt habe. Ich bleibe bis zum Ende dabei. Ich hab zwar keine Ahnung, was für ein Ungeheuer da kommt, aber ich werde mich mit aller Kraft darauf stürzen. Es war ein kurzes Leben, aber hin und wieder auch ein vergnügliches. Es hatte auch lustige Seiten. Wie die schwarze Katze sagt, kriegt man so eine Gelegenheit nur einmal in tausend Jahren. Gar nicht übel, zu fallen wie Kirschblüten im Wind. Alles für den alten Nakata.«
    Der Stein hüllte sich weiter in Schweigen.
    Dem Rat der Katze folgend bereitete Hoshino sich mit einem Schläfchen auf dem Sofa auf die
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