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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Autoren: Andrew Blum
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Titel wie Router Security Strategies oder Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden . Seine Flickr-Seite besteht hauptsächlich aus Fotos von Telekommunikations-Technik. Als wir ihn trafen, hatte er rote Wangen und eine Nickelbrille auf der Nase, trug über dem Kapuzensweatshirt aber trotz des frostigen Wetters keine Jacke. Über seiner Schulter hing eine Kuriertasche mit Tarnmuster. Er entsprach dem Klischee des Computerfreaks, aber welche Nachteile damit im Privatleben einst auch verbunden gewesen sein mochten – seine ungespielte Leidenschaft hatte ihm jedenfalls einen guten Job als Netzwerkadministrator eingebracht. Seine Firma verschaffte Städten im Südosten Wisconsins Zugang zum Internet, die zu abgelegen oder zu verschlafen waren, als dass sie für die großen Telefongesellschaften und Kabelnetzbetreiber von Interesse gewesen wären. Beim Mittagessen flüsterte er fast, was bei mir den Eindruck erweckte, dass das, was wir vorhatten, nicht ganz legal war, aber schon irgendwie in Ordnung ging. Er war ganz in seinem Element. Das war sein Revier, er hatte hier die Schlüsselhoheit – und wenn er keinen Schlüssel hatte, wusste er die Zahlenkombination. Jon Auer wickelte die Reste seines Sandwichs ein und führte uns durch die Hintertür des Ladens direkt in die Eingangshalle jenes Gebäudes, das sich als Zentrum des Internets von Milwaukee entpuppte.
    1901 von einem bekannten Geschäftsmann aus Milwaukee errichtet, hatte das Gebäude einst den örtlichen Leichtathletikclub beherbergt, doch die Tage, da es als repräsentative Adresse gelten konnte, waren eindeutig passé. Milwaukee war es zwar im Lauf der vergangenen Jahre gelungen, der Innenstadt neues Leben einzuhauchen, aber diesen traurigen Ort hatte der frische Wind noch nicht erreicht. Eine verschlafene Frau vom Sicherheitsdienst saß teilnahmslos hinter einem schäbigen Tisch in der ansonsten leeren Eingangshalle. Auer nickte ihr zu und führte uns über eine schmale, geflieste Treppe in den Keller hinunter. Von summenden Neonröhren schwach beleuchtet, standen staubige Türme aus Karteikästen und bedenklich schiefe Stapel ausgemusterter Büromöbel herum. Dort, wo man die Decke vermutet hätte, befand sich ein Gewirr aus Rohren und Kabeln, die einander umschlangen wie Mangrovenwurzeln. Es gab sie in allen Größen: dicke Stahlrohre mit dem Durchmesser eines Tellers, orangefarbene Kunststoffleitungen, die aussahen wie Staubsaugerschläuche, und hier und da ein einsam herunterhängendes, dünnes schwarzes Kabel – die stümperhafte Arbeit eines Netzwerktechnikers kurz vor Feierabend. Auer schüttelte missbilligend den Kopf. Mich beschäftigte ein banalerer Gedanke: Schau sich einer diese ganzen Rohre an! In ihnen befanden sich Glasfaserkabel, haarfeine Glasfasern, die Informationen in Form von Lichtimpulsen übertragen. In die eine Richtung führten sie durch die Grundmauer unter die Straße und weiter zum Highway – hauptsächlich Richtung Chicago, so Auer. In die andere Richtung verliefen sie durch die Kellerdecke und weiter in einem alten Leitungsschacht zu den oberen Stockwerken mit den zu Serverräumen umgebauten Büros der etwa ein Dutzend Internetfirmen, die sich allmählich in dem Gebäude breitgemacht und nach und nach die drittklassigen Anwälte und vergilbten Zahnarztpraxen verdrängt hatten, weil eine Glasfaser die nächste anzog. Einige dieser Firmen waren Internetanbieter, wie der Arbeitgeber von Auer, andere betrieben kleine Rechenzentren und beherbergten auf ihren Servern die Websites lokaler Unternehmen. Auer zeigte uns einen Stahlkasten in einer dunklen Ecke, dessen LED s unablässig blinkten. Das war der zentrale Zugangsknoten für das städtische Netzwerk von Milwaukee, das Bibliotheken, Schulen und Behörden versorgte. Ohne diesen Kasten würden Tausende von Beamten ihre Mäuse genervt in die Ecke knallen. »Alle reden ständig von innerer Sicherheit, aber schauen Sie sich mal an, was jemand hier drin mit einer Kettensäge anrichten könnte«, bemerkte Auer. Krisetya und ich knipsten Bilder, und die Blitzlichter unserer Kameras leuchteten die dunklen Ecken des Kellergeschosses aus. Wir waren Hobbyforscher in einer Kabelhöhle.
    In den kahlen Gängen der oberen Stockwerke roch es nach Schimmel. Wir kamen an leeren Räumen mit aufgebrochenen Türen vorbei. Auers Büros sahen aus wie die eines Privatdetektivs in einem film noir . Die drei kleinen Zimmer hatten Linoleumböden und klapprige Jalousien. Die
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