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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Autoren: Andrew Blum
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– gemietet.
    Wenn man verstehen will, wo und was das Internet eigentlich ist, spielen diese geographischen und physischen Überlappungen eine zentrale Rolle. Das hieß für mich aber auch, dass ich mich von der alten, irreführenden Metapher der »Datenautobahn« verabschieden musste. Das Netz war genau genommen keine »Autobahn«, über die »Lastwagen« voller Daten rauschten. Ich musste mir klarmachen, dass es eine zusätzliche Eigentumsebene gab: Das Netz gleicht weniger einer Autobahn als den LKW s, die darauf fahren. Und deshalb ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass sich viele einzelne Netzwerke – »autonome Systeme«, wie sie im Internetjargon genannt werden – in ein- und demselben Kabel drängen. Ihre mit Informationen beladenen Elektronen beziehungsweise Photonen wälzen sich durch die Landschaft wie Kolonnen von Sattelschleppern auf der Autobahn.
    Insofern kann man sich die Netzwerke, aus denen das Internet besteht, als drei Schichten vorstellen, die sich gegenseitig überlagern: die logische Ebene, also die magische und (für die meisten von uns) undurchschaubare Art und Weise, wie die elektronischen Signale übertragen werden und die PC s in einem Netzwerk miteinander kommunizieren; die physische Ebene, sprich die Maschinen und Kabel, durch die diese Signale fließen, und wie diese tatsächlich verbunden sind; und schließlich die geographische Ebene, also die Orte, die diese Signale erreichen. Um die logische Ebene zu verstehen, braucht man eine Menge Spezialwissen, weshalb wir das in der Regel gern den Programmierern und Technikern überlassen. Die anderen beiden Schichten jedoch – die physische und die geographische – sind ein ganz normaler Teil der uns vertrauten, sinnlich erfahrbaren Welt. Aber sie sind unserem Blick weitgehend entzogen. Und zwar so konsequent, dass der Versuch, sie mit eigenen Augen zu sehen, meine Vorstellung von den Nahtstellen zwischen der physischen und der elektronischen Welt gehörig durcheinanderbrachte.
    Es war seltsam, wie mühelos ich mir physische Netzwerke, etwa ein Eisenbahnnetz oder eine Stadt, vorstellen konnte. Schließlich sind sie Teil der physischen Welt, in der wir leben und in der wir von klein auf gelernt haben, uns zurechtzufinden. Und jeder, der gelegentlich einen Computer nutzt, hat zumindest kein Problem mit der Vorstellung einer »logischen« Welt, auch wenn wir sie selten so nennen. Wir loggen uns zu Hause oder im Büro in Netzwerke ein, nutzen einen E-Mail-Dienst, Onlinebanking, soziale Netzwerke – alles logische Netzwerke, die unsere Aufmerksamkeit bisweilen stundenlang fesseln. Doch so sehr wir uns auch anstrengen, die feine Nahtstelle zwischen dem Physischen und dem Logischen bleibt uns ein ewiges Rätsel.
    In unserer Vorstellung von der Welt klafft eine Lücke, die wir uns nur selten eingestehen – gewissermaßen die Ursünde des 21. Jahrhunderts. Das Internet ist überall und nirgends zugleich. Aber so unsichtbar die Welt des Logischen uns erscheint, ihr physisches Pendant ist zweifelsohne immer da.
    * * *
    Was das praktisch bedeutete, traf mich völlig unvorbereitet. Bilder des Internets waren immer Nahaufnahmen, ohne Kontext, ohne Umgebung, ohne Geschichte. Die Orte schienen völlig austauschbar zu sein. Die Existenz der verschiedenen Ebenen war mir bewusst, aber ich fragte mich, wie sie konkret aussehen würden. Die logische Ebene war ja ohnehin per definitionem unsichtbar. Was würde ich also vorfinden?
    Einige Tage vor meinem Besuch in Milwaukee hatte ich mit einem Netzwerktechniker gemailt, der mir geholfen hatte, die Grundlagen der Internetarchitektur zu verstehen. Wie sich herausstellte, stammte er ursprünglich aus Wisconsin. »Wenn Sie schon nach Milwaukee fliegen, dann sollten Sie sich eines unbedingt anschauen«, schrieb er zurück. In der Innenstadt gebe es ein altes Gebäude, das »rappelvoll mit Internet« sei. Und er kenne jemanden, der mich herumführen könnte. »Haben Sie Die Goonies gesehen?«, fragte er. »Nehmen Sie Ihre gute Kamera mit.« Normalerweise verbringt Krisetya, nachdem er den Probedruck bei Kubin-Nicholson signiert hat, den Nachmittag im Kunstmuseum, bevor er wieder nach Hause fliegt. Doch als er von meinen Plänen hörte, wollte er lieber mitkommen. Also fuhren wir gemeinsam in die Stadt, um uns in einem Sandwichladen mit einem Unbekannten zu treffen, der uns das Internet von Milwaukee zeigen sollte.
    Auf der Liste mit Lieblingsbüchern, die Jon Auer auf seine Website gestellt hat, finden sich
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