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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Autoren: Andrew Blum
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und dem Flüssigen suchen. Er muss sich fragen: Was könnte überall erledigt werden, und was muss hier passieren? Eine der vielen Überraschungen auf meiner Suche nach dem Internet war, dass mir die Karten von TeleGeography in den nächsten eineinhalb Jahren in Internetgebäuden auf der ganzen Welt wiederbegegnen sollten – in Miami, Amsterdam, Lissabon, London und anderswo. In Plastikrahmen aus dem nächsten Schreibwarenladen gesteckt, gehören sie ebenso zum Inventar und Ambiente solcher Orte wie die braunen Pappkartons, die sich in den Ecken stapeln, oder die Überwachungskameras, die aus den Wänden hervorlugen. Die Karten haben in dieser Umgebung dieselbe Funktion wie die Farbstoffe, die etwas dynamisch Fließendes auf Papier bannen: Durch ihre bloße Existenz verleihen sie den Strömen und Wirbeln des physischen Internets klare Konturen.
    * * *
    Zu dem Zeitpunkt, als das Eichhörnchen ein Kabel in unserem Hinterhof in Brooklyn durchbiss, hatte ich nur eine ganz leise Ahnung, wie das Internet aufgebaut war. Ich nahm an, dass mein Internetanbieter irgendwo einen zentralen Netzknoten hatte, vielleicht auf Long Island, wo die Firmenzentrale stand? Aber von dort aus verzweigten sich die Pfade in meiner Vorstellung in alle Richtungen, und die Bits sprangen wie Tischtennisbälle durch Dutzende, wenn nicht Hunderte von Rohren – unzählige Rohre, aber was hieß das schon, da konnte man ebenso gut sagen: gar keine. Ich hatte von einem »Internet-Backbone« gehört, aber nur ganz bruchstückhaft, und wenn es wirklich so wichtig wäre, nahm ich an, hätte ich mehr darüber gehört. Zumindest wäre es gelegentlich verstopft oder defekt gewesen oder wäre verkauft worden. Was internationale Verbindungen über Seekabel betraf, so hatten sie für mich etwas Phantastisches, wie etwas aus einem Roman von Jules Verne. Das Internet war – anders als es auf meinem ständig präsenten Bildschirm den Anschein hatte – eher eine Idee als etwas Greifbares. Das einzig Konkrete, wovon ich eine klare Vorstellung hatte, waren die großen Rechenzentren, von denen ich in Zeitschriften Bilder gesehen hatte. Sie sahen alle gleich aus: mit Linoleum ausgelegte Böden, dicke Kabelbündel und blinkende Lichter. Die Aussagekraft dieser Bilder lag nicht in ihrer Verschiedenartigkeit, sondern in ihrer Einförmigkeit. Sie vermittelten den Eindruck, dass unsichtbar hinter diesen Maschinen eine unendliche Reihe weiterer Maschinen stand. Nach allem, was ich wusste (aber was wusste ich schon?), waren das die Teile, aus denen das Internet bestand. Wonach suchte ich dann eigentlich?
    Meine Reise auf den Spuren des Internets begann somit gezwungenermaßen im virtuellen Raum. Ich stellte Netzwerktechnikern die immer gleichen Fragen: Wie war das Netz aufgebaut? Was sollte ich mir anschauen? Wohin sollte ich reisen? Ich begann, eine Route auszuarbeiten, eine Liste von Städten und Ländern, Monumenten und Zentren. Doch dabei stolperte ich alsbald über eine noch grundsätzlichere Frage zum Netz der Netze: Was ist das überhaupt, ein Netzwerk? Ich habe eines bei mir zu Hause, Verizon hat eines, Banken und Schulen haben welche – wer hat heutzutage kein Netzwerk? Einige erstreckten sich auf Gebäude, andere auf Städte, manche auf die ganze Welt. Von meinem Schreibtisch aus schien es, dass all diese Netzwerke zum Wohle aller relativ friedlich koexistierten. Aber wie fügten sie sich da draußen in der realen Welt rein physisch zusammen?
    Als ich endlich den Mut aufgebracht hatte, diese Frage zu stellen, begann ich das Ganze allmählich besser zu verstehen. Wie sich herausstellte, hat das Internet eine gewisse Tiefe. Viele verschiedene Netzwerke nutzen dieselben Leitungen, obwohl diese sich im Besitz unabhängiger Organisationen befinden und von diesen betrieben werden – zum Beispiel von einer Universität und einer Telefongesellschaft, oder von einer Telefongesellschaft im Auftrag einer Universität. Netzwerke nutzen Netz kapazitäten . Während der einen Firma die Glasfaserkabel gehören, betreibt eine andere die Laser, die Lichtsignale durch diese Glasfasern schicken, und eine dritte besitzt (oder, wahrscheinlicher, mietet) bestimmte Netzkapazitäten, die für die Datenübertragung genutzt werden. China Telecom beispielsweise betreibt ein umfangreiches Netz in Nordamerika – aber das Unternehmen hat zu diesem Zweck nicht den ganzen Kontinent mit Baggern umgegraben, sondern bereits bestehende Glasfaserleitungen –oder sogar nur bestimmte Kapazitäten
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