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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar
Autoren: Charlotte MacLeod
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Geselligen
Kabeljaus hat es immer Kellings und Oghams gegeben. Keiner von ihnen will sein
angestammtes Recht einem anderen abtreten. Noblesse oblige, könnte man
sagen.«
    Max vermutete, daß man dies wohl sagen
könnte, auch wenn er nicht genau wußte, wieso. »Aber wissen denn die Tolbathys
nicht, daß Jem und Ogham miteinander in Fehde liegen?«
    »In Fehde liegt nur Mr. Ogham. Mr. Jem
hüllt sich in hochmütiges Schweigen. Sagt er jedenfalls.«
    Die Vorstellung, daß Jem sich, aus
welchem Grund auch immer, in hochmütiges Schweigen hüllen könnte, schien Max
allzu abwegig, doch er unterließ jeden weiteren Kommentar. Er mochte Egbert,
und er konnte sehen, wie schwer Onkel Jems Unfall dem treuen Knappen dieses
fahrenden Ritters zu schaffen machte.
    »Außerdem«, fuhr Egbert fort, »ist Mr.
Ogham mit Mrs. Tolbathy verwandt. Bruder Whet übrigens auch, aber er wird nicht
anwesend sein. Er hält sich nämlich zur Zeit geschäftlich in Nairobi auf. Mr.
Jem beabsichtigte daher, Mrs. Whet zu der Party zu begleiten.«
    »Und Mrs. Whet ist eine attraktive
Frau, geschmackvoll gekleidet, ein wenig stark gebaut, aber nicht dick, habe
ich recht? Amüsiert sich gern, hält das Likörglas wie eine Dame und weiß genau,
wann es Zeit ist, aufzuhören.«
    »Sie kennen Mrs. Whet, Mr. Max?«
    »Nein, aber ich kenne Jem. Dann besteht
die Party also lediglich aus einigen Freunden und Verwandten?«
    »Ich glaube, das trifft mehr oder
weniger zu. Es wird keine große Gesellschaft sein. Ich kann mir nicht
vorstellen, daß sich in dem Zug mehr als dreißig oder vierzig Personen
unterbringen lassen, ohne daß es zu eng wird. Es handelt sich nicht um einen
normalen Zug, wissen Sie, und es gibt nur zwei Wagen. Das Dienstabteil brauchen
sie wahrscheinlich für die Verpflegung und dergleichen.«
    »Eine ziemlich ausgefallene Party für
so wenig Gäste, nicht wahr?«
    »Nun ja, am kostspieligsten wäre wohl
der Zug selbst«, erklärte Egbert, »und den haben sie ja bereits.«
    »Stimmt auch wieder. Wir sind am Ziel.
Ich begleite Sie noch nach oben.«
    »Verbindlichsten Dank, Mr. Max, aber
das ist wirklich nicht nötig.«
    »Ich möchte aber mitkommen, wenn es
Ihnen nichts ausmacht. Ich würde mir gern die Stelle ansehen, wo Jem gestürzt
ist.«
    »Einen Moment, ich suche nur eben den
Schlüssel — ach, da ist er ja. Die Stufen beginnen gleich hinter der Tür, und
Mr. Jem lag genau hier am Fuß der Treppe, vor dem Pfosten. Er hat gesagt, er
sei auf jede einzelne Stufe aufgeschlagen, als er herunterfiel. Wahrscheinlich
hat er sich dabei die Hüfte gebrochen.«
    Max sah sich die massive
Eichenholztreppe und den Marmorboden genau an und knurrte. »Da hat er ja noch
mal verdammtes Glück gehabt, daß er mit dem Hinterteil und nicht mit dem Kopf
zuerst unten angekommen ist. Wer benutzt für gewöhnlich das Treppenhaus?«
    »Niemand, es sei denn, der Aufzug
bleibt stecken. Früher habe ich es benutzt, aber ich muß zugeben, daß mir diese
Art Sport in meinem Alter keinen Spaß mehr macht, es sei denn, ich sehe mich
dazu gezwungen.«
    »Hat Jem Ihnen erzählt, warum er die
Treppe genommen hat? Hat er nicht zuerst den Aufzug versucht?«
    »Er hat gesagt, daß der Strom ausfiel,
kurz bevor er den Anruf von Fuzzleys’ erhielt.
Es ist ihm aufgefallen, weil er gerade Radio hörte und zuerst annahm, es sei
plötzlich kaputtgegangen, doch dann bemerkte er, daß der elektrische Wecker,
den Mrs. Appie ihm geschenkt hat, damit er nicht immer zu spät zu seinen
Verabredungen erscheint, auch nicht mehr funktionierte. Das bedeutete, daß auch
der Aufzug Stillstehen würde, also hat er den Aufzugknopf erst gar nicht
gedrückt, sondern ist schnurstracks zur Treppe gerannt. Er hat eben einfach
Pech gehabt, nehme ich an, er war in Eile und hat nicht genau aufgepaßt, wo er
hintrat. Und außerdem war er ja noch immer schrecklich aufgeregt, weil er den
Kabeljau verloren hatte.«
    Im schummerigen Licht der Deckenlampe
sah Egbert aus wie ein betagter Beagle, der um die Schnauze herum grau geworden
war und mit den Wirrnissen des Lebens, die ihm allmählich über den Kopf
wuchsen, nicht mehr fertig wurde. »Wissen Sie, Mr. Max, meine arme alte Mutter
hat immer gesagt, das Pech schlägt stets dreimal hintereinander zu. Glauben
Sie, daß wir die Tatsache, daß Mr. Jem jetzt die Tolbathy-Party verpaßt, als
das dritte Mal ansehen können?«
    »Ich bin nicht einmal sicher, ob es
sich hier überhaupt um Pech handelt«, antwortete Bittersohn. »Was ist aus
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