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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar
Autoren: Charlotte MacLeod
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hat ihm Spaß gemacht, euch alle weiter in dem Glauben zu
lassen, er könne immer noch schlecht sehen, wenngleich er das inzwischen
genausogut konnte wie die meisten Menschen seines Alters.«
    »Verfluchter Mistkerl«, schnaubte Jem.
»Egbert, warum zum Teufel packst du nicht diesen Korb von Hester aus und machst
uns was zu essen? Ich habe einen Wolfshunger, verdammt noch mal. He, das ist
das erste Mal, daß ich wieder richtig Appetit habe, seit ich mir diese
gottverdammte Hüfte gebrochen habe. Ich bin offenbar auf dem Wege der Besserung.
Hipp, Hipp, Hurra!«
    »Ach, hör schon auf, alter Narr«, rief
der Ehemals Allerwerteste Fischkopf Bruder Tolbathy und schneuzte sich
umständlich die Nase. »Jem, wir müssen noch über Wouters Beerdigung sprechen.
Du wirst natürlich die Grabrede halten und dabei die Große Kette tragen. Und
ich dachte, daß Gerry vielleicht hinter dem Sarg hergehen und den Drachen
ziehen könnte. Und wenn du mit der Rede fertig bist, könnte er ihn vielleicht
anschalten, damit er ein bißchen Rauch und Feuer speit. Ich glaube, das würde
Wouter gefallen, meint ihr nicht auch, Leute?«
    »Verdammt richtig«, sagte Jem.
»Dasselbe hätte Wouter auch für uns getan. Schenk noch mal ein, Egbert. Laßt
uns alle einen Schluck auf den guten alten Wouter trinken.«
    Der Allerwerteste Fischkopf erhob sein
Glas. »Pah! Humbug! Euch allen!«
    Und niemand zweifelte daran, daß er es
so meinte.
     
     

Nachwort
     
     
     
     
     
     
     
    1843 erschien A Christmas Carol — Ein
Weihnachtslied in Prosa — von Charles Dickens, das bald weltweit die
beliebteste Weihnachtsgeschichte aller Zeiten wurde — an Bekanntheitsgrad nur
noch von der Weihnachtsgeschichte übertroffen, die uns der Evangelist Lukas
überliefert hat. Vier Geistererscheinungen in der Weihnachtsnacht sind es, die
den geizigen Menschenschinder und — Verächter Ebenezer Scrooge zum weihnachtsseligen
Philanthropen machen. Zuerst erscheint ihm der Geist seines verstorbenen
Partners Marley, der, ebenso geldgierig und hartherzig wie Scrooge, nun in
Ewigkeit mit einer schier endlosen Kette aus Geldkassen, Besitztiteln usw.
herumirren muß, die er sich in seinem Leben selbst geschmiedet hat und wie sie,
länger noch und drückender, auch auf Scrooge wartet. Dann zeigen ihm die
Geister der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht, was
er an Liebe verloren hat, was ihm an Freude entgeht und was er an Leid
verursacht und wie einsam und unbeklagt er sterben wird.
    Die geradezu mythische Qualität dieser
Geschichte von der Bekehrung zum Weihnachtsfest als dem Fest der Liebe und
Mitmenschlichkeit wird daran deutlich, daß »Scrooge« im englischsprachigen Raum
zur festen Bezeichnung für einen Menschen mit niederträchtiger Gesinnung und
abnormem Geiz geworden ist — und als die Disney-Leute nach einem Namen für den
milliardenschweren Familiengeizhals der Duck-Sippe suchten, stand das Ergebnis
von vornherein fest: Scrooge McDuck, in Deutschland bekannt unter dem
nichtssagenden Namen Onkel Dagobert.
    Daß sich die neuenglische Aristokratie
Bostons, der ihr ererbter Reichtum ebenso selbstverständlich ist wie ihr
ererbter Geiz, mit dieser Figur — vor der Bekehrung! — durchaus identifizieren
kann, zeigen die achtzehn würdig-unwürdigen Mitglieder des elitären Clubs vom
Geselligen Kabeljau. Die Mitgliedschaft ist innerhalb der alten, meist
miteinander versippten Bostoner Familien erblich — man muß nur den gehörigen
Sinn für organisierten Unsinn haben. Die sich durchaus ernstnehmende
Vereinigung gehört zu den im englischsprachigen Raum so beliebten
Nonsense-Clubs: Alte Herren zwischen Ende sechzig und Mitte neunzig setzen in
ihr die Streiche fort, die sie vor zwei und mehr Menschenaltern in den
exklusiven Internaten als Pennäler begonnen und später in den elitären Clubs
von Harvard oder Yale als Studenten beibehalten haben.
    Aus dem Kelling-Clan ist es der
Lebemann der Sippe, Jeremy Kelling, der die Familie beim Geselligen Kabeljau
vertritt. Während Adolphus Kelling sich an den Vermögen erfreut, die ihm
entfernte Großonkel dann und wann hinterlassen, ist Jeremy, so etwas wie der
Christian Buddenbrook unter den Kellings, stolz, die Clubmitgliedschaft vom
Großonkel Serapis, einem weiteren Bonvivant aus der sonst eher nüchternen
Kelling-Sippe, geerbt zu haben. Seit kurzem ist er, wiewohl mit Ende sechzig
einer der Jüngsten im Club, sogar Präsident der Vereinigung mit dem schönen
Titel »Allerwertester
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