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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar
Autoren: Charlotte MacLeod
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Fischkopf«.
    Als solcher hat er würdevoll der
Weihnachtsfeier des Geselligen Kabeljaus zu präsidieren, die in diesem Kreis
natürlich als Anti-Weihnachtsfeier begangen wird, als Scrooge-Tag in liebender
Erinnerung an das große Vorbild. Man trinkt auf sich selbst — und zur Hölle mit
allen andern! — , man hofft, daß alle im vergangenen Jahr ihrer
fortschreitenden Senilität zum Trotz böse kleine Buben gewesen sind — »Fröhliche
Zwietracht alle miteinander!« Marleys Geist ist im entsprechenden Spardosen-
und Geldkassettenbehang ebenso präsent wie die Geister der diversen Weihnachten
— mit dem einen Ziel, wie Scrooge alles Weihnachtliche mit seinem klassischen
»Pah! Humbug!« abzufertigen. Weihnachtsdekorationen (die man in Amerika über
alle Maßen und über alle Geschmacksgrenzen hinaus liebt und in diversen
Ladenketten ganzjährig kaufen kann) sind bei den Kabeljauen natürlich verpönt,
und symbolisch dafür wird die größte Geschmacklosigkeit, die man auf dem Markt
auftreiben konnte, feierlich vernichtet. In diesem Jahr ist es eine aufblasbare
Variante des legendären Rentiers Rudolf mit der glänzendroten Nase, das die
anderen Rentiere auslachten und nicht mitspielen ließen, bis es dann an einem
nebligen Christfest Santa Claus voranleuchten durfte und allen Kindern die
Weihnacht rettete. Von den aufblasbaren Hufen bis zum aufblasbaren Geweih mißt
Plastik-Rudolf über einen Meter und ist zusätzlich mit einem nicht ganz leicht
erklärbaren Ballettröckchen aus gefärbten Hühnerfedern bekleidet.
    Nach der feierlichen Abschlachtung und
Entsorgung dieser Scheußlichkeit muß Jeremy Kelling feststellen, daß die von
ihm bei diesem Anlaß zum erstenmal getragene Amtskette des Allerwertesten
Fischkopfes fehlt — eine wundervolle, alte, handgeschmiedete Silberkette mit
einem massivsilbernen Kabeljau als Amtsinsignie und Vereinsemblem. Jemand muß
sie ihm vom Hals gestohlen haben, denn abgefallen kann sie nicht sein, da sie
keinen Verschluß aufweist, sondern von oben über den Kopf angelegt wird. Alle
suchen vergeblich nach dem Heiligtum des Vereins und glauben schließlich an
einen Scherz. Sicher wird sie beim nächsten Treffen, wenn am Valentinstag ein
rotes Herz rituell zerschlitzt wird, ebenso mysteriös wieder auftauchen, wie
sie am Scrooge-Tag verschwunden ist.
    Einzig Jeremy Kelling bleibt
beunruhigt, ist er doch als Allerwertester Fischkopf der eigentlich
Verantwortliche für die ihm anvertraute Kette. Und so erlebt sein mit ihm in
Unehren ergrauter Diener Egbert erstmals, daß sein Herr nüchtern und verstört
von einem Gelage nach Hause kommt. Natürlich ist das ein Fall, der Jeremys
angeheiratetem Neffen Max Bittersohn auf den Leib geschrieben ist, ist der
promovierte Kunsthistoriker doch als Detektiv für das Gebiet der
Kunstdiebstähle und -fälschungen zuständig.
    Die Romanze zwischen der
aristokratischen Sarah Kelling Kelling und dem Sproß noch nicht lange in den
USA lebender jüdischer Einwanderer, die nach dem Tod von Sarahs erstem Mann
begann (Die Familiengruft, DuMont’s Kriminal-Bibliothek 1012) und in den
weiteren Bänden ihren nicht störungsfreien Fortgang nahm (Der Rauchsalon,
Madam Wilkins’ Palazzo, Der Spiegel aus Bilbao, DuMont’s
Kriminal-Bibliothek 1022, 1035, 1037), hat vor einem halben Jahr zur Ehe
geführt, die weder von allen Mitgliedern des konservativen Kelling-Clans noch
von Max’ jüdischer Mutter restlos gutgeheißen wird, was aber dem Glück der
beiden keinen Abbruch tut.
    Dies wird nun in ganz starkem Maße Max
Bittersohns eigener Fall. Die verschwundene wertvolle Kette, ein Meisterstück
des Kunsthandwerks, fällt ganz eindeutig in sein Spezialgebiet — und somit die
folgenden sich überschlagenden Ereignisse auch: Jeremy Kelling stürzt auf der
Treppe und landet mit einer gebrochenen Hüfte im Krankenhaus. Mit Lupe und
Scharfsinn kann Neffe Max den scheinbaren Unfall als raffinierten Anschlag
enthüllen, der Jeremy sogar das Leben hätte kosten können. Persönliche Feinde
hat der alte Herr keine, und die amourösen Aktivitäten des Endsechzigers, die
er gern andeutet, sind wohl auch nicht mehr so, daß sie in Ehemännern oder
Rivalen Mordgelüste auslösen könnten.
    Der einzige Grund, den Max’
scharfsinnigen Überlegungen zulassen, ist der, daß jemand alles darauf anlegt,
Jeremy Kelling von der großen Weihnachtseinladung der Tolbathys fernzuhalten,
denn das, was diesen außer Trinkfestigkeit und einem Riesenschatz schlüpfriger
Anekdoten
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