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Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition)
Autoren: Katrin Bongard
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konnte sich einfach weiter auf seine Karriere konzentrieren.
    Ares sah zu dem leer stehenden Nachbarhaus. Hier, wo alles beginnen würde. Begonnen hatte. So stand es doch immer in den Biografien. In dieser Gegend, dem legendären Villenviertel von Babelsberg, das schon immer Künstlergeschichte geschrieben hatte. Oder besser Filmgeschichte. Was nicht so gut passte. Aber er konnte mit seinem Erfolg darauf leider keine Rücksicht nehmen. Wenn er Musik machen wollte, dann war es das, egal, auch wenn sein Vater ihm gerne seine Produktionsfirma vermachen wollte. Falls er das überhaupt vorhatte. Ares war sich da noch nicht mal sicher. Eher sah er seinen Vater noch mit neunzig Filme produzieren. Alt, leicht gebeugt, aber hundertprozentig konzentriert auf das, was er wollte und wie es gemacht werden musste. Also war es ganz okay, wenn Ares das alles nicht interessierte.
    Die Band. Das war der Plan. Die Band, der Übungsraum, alle Erfolgsgeschichten fingen in Garagen oder Kellern oder an anderen schäbigen Orten an. Das stimmte schon mal.
    Und der Keller im leerstehenden Nachbarhaus, den Nick und er aufgebrochen hatten, war ideal. Eine Punkband brauchte einen besonderen Ort, etwas Verbotenes, etwas Verwegenes.
    Ares öffnete das Fenster und sah zu Nicks Haus auf der anderen Straßenseite. Sie hatten da so ein Spiel oder besser eine Wette. Wenn bei einem von ihnen mal ein Mädchen übernachten würde, dann wollten sie eine Fahne aus dem Fenster hängen. Nicks Zimmer ging nach vorne heraus. Keine Fahne. Wie erwartet. War überhaupt schon jemand wach da drüben? Keiner im Vorgarten. Ruhe, Stille. Auch auf der Straße nichts, was für eine Gegend.
    »Ares?«
    »Ja?«
    Sein Vater saß müde in die Küche.
    »Hast du Lust mir einen Kaffee zu machen?«
    »Klar.«
    »Mit Milch bitte. Und – nicht die Sojamilch.«
    Seine Mutter vertrug keine richtige Milch, irgendeine Laktose-Sache, der halbe Kühlschrank war voll mit Spezialprodukten.
    »Wie war es? Wo warst du überhaupt?«
    »In Mitte. War ganz gut.«
    »Und sag mal ... ist Helena gestern Nacht noch nach Hause gekommen?«
    »Ja.«
    Es war gelogen, aber Ares würde seine Schwester niemals verraten. Außerdem war sie gerade achtzehn geworden und konnte sowieso machen, was sie wollte. Was sie im Übrigen immer schon getan hatte.
    Ares stellte einen Becher unter die Espressomaschine, füllte Kaffee in das Sieb, schraubte es unter den Durchlauf und drückte dann auf Start. Eigentlich gab es keinen Grund, warum sein Vater das nicht selber tun konnte. Vermutlich war er das einfach von seinem Alltag im Produktionsbüro so gewohnt, dass ein anderer, wer auch immer, das übernahm. Die Praktikanten vermutlich. Und Ares tat es gern. Er liebte den Geruch von frischem Kaffee. Er stand für eine Welt, die sich ihm erst als Erwachsener vollständig eröffnen würde. Eine Welt der Gelassenheit und Stärke wie sie die alten Männer besaßen, die im Süden vor den kleinen Bars saßen und ihren Espresso tranken. Mafiabosse vermutlich. Die hatten etwas. Irgendetwas, was er manchmal an seinem oder Nicks Vater beobachten konnte. Macht, Einfluss, Autorität und vor allem die Sicherheit, einen Platz in der Welt gefunden zu haben, von dem sie ihr Imperium leiten konnten.
    Sein Vater trank den Kaffee ohne Zucker. Und wenn er in einer laufenden Produktion steckte, dann musste es immer diese Tasse sein. SUNRISE-Produktion. Filmleute waren abergläubisch, auch wenn das meist nur die Schauspieler zugaben.
    Das Arbeitszimmer seines Vaters war mehr oder weniger eine Video- bzw. DVD-thek. Regale voll mit Filmen und in der Mitte ein mit Drehbüchern überladener Schreibtisch, in dem regelmäßig die wireless mouse verloren ging. In Zeiten, in denen Filme im Internet heruntergeladen wurden, eigentlich schon ein Mausoleum. Ares stellte den Kaffeebecher auf ein aufgeschlagenes Drehbuch, es war die einzige einigermaßen ebene Stelle auf dem Schreibtisch.
    »Danke, Ares und sag mal ... ist Ina schon wach?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hatte sie Effi Briest?«
    »Nein, einen Leseabend.«
    Ares wusste es, denn seine Mutter hatte ihm den Text laut vorgelesen, um die Wirkung auszutesten. Russische Schriftsteller, ein Benefizabend. Er hatte auf dem Sofa gesessen und Beats ausprobiert und versucht, sich den Text gerappt vorzustellen, denn seine Mutter brauchte nur jemanden, der ihr gegenüber saß. Wie in einem Theatersaal.
    »Ich geh nachher rüber zu Nick. Bandprobe. Kann ziemlich spät werden.«
    Sein Vater sah auf, er hatte
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