Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Autoren: Martin Korte
Vom Netzwerk:
Dabei bezeichnet die fluide Intelligenz die allgemeine, weitgehend angeborene Fähigkeit, sich neuen Problemen und Situationen anzupassen, ohne dass es dazu umfangreicher früherer Lernerfahrungen bedarf. Alltagssprachlich könnte man sie als schnelles Schalten, Sofort-im-Bilde-Sein oder als schnelle Rechengeschwindigkeit des Gehirns beschreiben. Es handelt sich um eine Fähigkeit, die sich kulturfrei erfassen lässt. Kristalline Intelligenz dagegen bezeichnet kognitive Fähigkeiten, in denen sich gesammeltes Expertenwissen aus bisherigen Lernprozessen kristallisiert und verfestigt hat (berufsbezogenes Wissen, Bildung). Sie beinhaltet in hohem Maße kulturspezifische Elemente und nimmt mit dem Alter nicht ab – im Gegenteil, sie wird tendenziell besser.
    Anhand des Schreinerberufs lassen sich diese beiden Formen der Intelligenz gut illustrieren: Wie gut ein Schreiner Möbel anfertigen kann, hängt von seiner Geschicklichkeit, seinem biologisch festgelegten räumlichen Vorstellungsvermögen und von seiner Arbeitsgeschwindigkeit ab (fluide Intelligenz). Wie kreativ er beim Entwerfen von Modellen ist, wie gut er den Geschmack seiner Kundschaft trifft, wie viel Erfahrung er mit Materialien hat, ist aber eine Frage des Expertenwissens. All das ebenso wie seine Fähigkeiten, ob und wie gut er Mitarbeiter motivieren kann, wie er mit Stress umgeht und wie impulsiv er ist, gehört in den Bereich der kristallinen Intelligenz; sie nimmt bis in das hohe Alter hinein zu.
    Diese beiden Komponenten der Intelligenz werden auch als Mechanik (= fluide Intelligenz) und Pragmatik (= kristalline Intelligenz) bezeichnet. Die Pragmatik repräsentiert die menschliche Individualentwicklung und damit einhergehend Bildung und Erfahrung. Sie umfasst kulturgebundene Fähigkeiten wie Sprache, berufliches Expertenwissen und soziale oder emotionale Intelligenz und umschreibt vor allem Lebenserfahrung und Alltagspraxis. Diese Komponenten können bei entsprechendem lebenslangem Training besser werden; sie sind außerdem beeinflussbar durch unseren Lebens- und Arbeitsstil.

    Abbildung 2: Zwei-Komponenten-Modell der Intelligenz
    Idealisierte Lebensverlaufskurve verschiedener Formen der kognitiven Fähigkeiten (nach Martin Baltes). Fluide Intelligenz (Mechanik) als allgemeine, weitgehend angeborene Fähigkeit, sich neuen Problemen und Situationen anzupassen, ohne dass es dazu umfangreicher früherer Lernerfahrungen bedarf. Kristalline Intelligenz (Pragmatik): Kognitive Fähigkeiten, in denen sich gesammeltes Expertenwissen aus bisherigen Lernprozessen kristallisiert und verfestigt hat (berufsbezogenes Wissen, Bildung). Sie nehmen mit dem Alter nicht ab, im Gegenteil, diese Fähigkeiten werden mit zunehmendem Alter tendenziell besser.
    Die Leistungsfähigkeit der kognitiven Mechanik äußert sich beispielsweise in der Geschwindigkeit und Präzision, mit der grundlegende Prozesse der Informationsverarbeitung ablaufen. Mit fortschreitendem Alter ist bei ihr ein Leistungsrückgang zu erwarten. Hinsichtlich der Mechanik wird bei älteren Menschen das Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis schlechter – Beschwerden hierüber gibt es ab dem 50. Lebensjahr, wobei das Arbeitsgedächtnis genau genommen schon ab dem 25. Lebensjahr nachlässt. Dennoch können auch im hohen Alter noch Lernaufgaben gelöst werden, man muss den Probanden nur mehr Zeit geben und dafür sorgen, dass es keine Ablenkungen gibt. Generell werden im Alter die Denktätigkeiten schlechter, die zu gänzlich neuen gedanklichen Konstruktionen führen. Das Problemlösen nimmt vielmehr die Form von Mustererkennung an, unterstützt von den im Laufe unseres Lebens angesammelten Schablonen und Matrizen. Je mehr wir erlebt haben, umso wahrscheinlicher ist es, dass Randbedingungen oder charakteristische Punkte einer neuen Situation Ähnlichkeit mit einer bereits erlebten Situation haben. Entsprechend sind wir mit zunehmendem Lebensalter viel besser imstande, eine neue Situation mit einer alten in Beziehung zu setzen und selbst in uns neuen Situationen auf »alte« Lösungsstrategien zurückzugreifen. Je älter wir sind, desto mehr Herausforderungen »passen« zu einer bereits vorhandenen Schablone, und häufig muss man lediglich kleine Modifikationen vornehmen, nur wenige neue Elemente abspeichern und prozessieren, um eine neue Situation einschätzen und bewältigen zu können. Junge Gehirne mögen eine hohe und schnell getaktete Gehirnrechenleistung besitzen, aber sie brauchen in der Regel länger, um die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher